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Berufsschule Physiotherapie bleibt in Stendal

Wegen zu geringer Schülerzahlen stand die Physiotherapie-Ausbildung in Stendal vor dem Aus. Das konnte nun verhindert werden.

Von Nora Knappe 08.06.2017, 01:01

Stendal l Offiziell ist der Bewerbungsschluss für die Berufsfachschule Physiotherapie an der Stendaler Berufsbildenden Schule II (BBS) zwar vorbei, doch man hofft, dass sich Zögerliche oder Verunsicherte noch melden. Drei müssten es noch werden, um mit den geforderten mindestens 21 Schülern beginnen zu können.

Die Verunsicherung unter potenziellen Bewerbern und deren Eltern rührt womöglich aus einem Volksstimme-Beitrag, der am 24. März „Das Aus für die Physiotherapie“ verkündete. Diese Nachricht resultierte aus einer Sitzung des Kreis-Schulausschusses, in der darüber informiert wurde, dass der Bildungsgang wegen einbrechender Schülerzahlen eingestellt werden müsse. So sehe es die Schulentwicklungsplanung vor. Das jetzige dritte Ausbildungsjahr wird bereits in Magdeburg unterrichtet, weil in Stendal keine Klasse mehr gebildet werden konnte.

Dennoch werden nun wieder Bewerbungen entgegengenommen und können alle drei Ausbildungsjahrgänge in Stendal bleiben. Denn das Aus konnte vorerst abgewendet werden. Schulleiter Jörg Hagge hat eine Ausnahmegenehmigung beim Land beantragt und der wurde stattgegeben.

Dies allerdings geschah eher notgedrungen. Denn eigentlich wollte der Landkreis versuchen, mit der Stadt Magdeburg eine Einigung darüber zu erzielen, dass die Bewerber aus der Altmark gleichwertig mit den Magdeburgern behandelt werden. Eine solche Einigung sei jedoch nicht zustande gekommen. Also wird das Fach weiterhin an der Stendaler Berufsschule angeboten. „Eine langfristige Aussage kann ich leider nicht machen, wir leben jetzt mit den Ausnahmegenehmigungen“, erklärt Hagge. Das Zünglein an der Waage ist stets die Klassenstärke.

An den geringen Schülerzahlen hat sich indes nichts geändert. „Im ersten Ausbildungsjahr haben wir zwölf Schüler, im zweiten zehn“, zählt Ines Weinert auf, neben Sandra Kullmann eine der beiden Fachpraxislehrerinnen. Auf diesem Niveau habe sich die Schülerzahl in den letzten Jahren eingepegelt. „Viele Schüler unterschätzen die Fülle des Stoffes und scheitern letztlich am Lernen“, berichtet Anke Mösenthin, Koordinatorin an der BBS, im Gespräch mit der Volksstimme. „Es sind ganz andere Fächer und Inhalte als in der Schule, hinzu kommt medizinische Fachsprache.“

Die Berufsfachschüler im ersten Ausbildungsjahr wissen, was vor ihnen liegt und dass das nicht immer leicht sein wird. „Es ist halt ein medizinischer Beruf“, sagt Stefanie Schäler, „da ist umfassenderes Wissen nötig, Anatomie zum Beispiel haben wir von Anfang an.“ Und da gehört auch Latein dazu, was oft unterschätzt werde, ergänzt ihre Lehrerin Ines Weinert. „Aber es ist zu schaffen“, ist Sophia Hoffmeister zuversichtlich und freut sich genau wie ihre Mitschülerin Vanessa Starzek, nach Abschluss der Ausbildung kranken Menschen zu helfen. Dank der Ausnahmegenehmigung können sie darauf nun, ohne Schließungsbangen, auf jeden Fall an der BBS in Stendal hinarbeiten.

Die Physiotherapie-Ausbildung berge eine große Vielfalt in sich, verdeutlicht Weinert: „Das reicht von anatomischen und physiologischen Kenntnissen über Krankheitsbilder jeglichen Alters und entsprechende Therapien bis hin zu Hygiene, Gesetzgebung und auch sozialer Kompetenz.“ Man müsse sich der Anforderungsdichte bewusst sein.

Und man müsse bereit sein, Hemmschwellen zu überwinden: „Ein Physiotherapeut kann Beschwerden nicht durch die Kleidung hindurch diagnostizieren und bearbeiten.“ Das heißt: In der Ausbildung werden die Schüler eigene Körperteile entblößen müssen und bei Mitschülern nackte Haut anfassen. Alles natürlich unter Wahrung der Intimsphäre. „Aber es geht um reale Bedingungen und darum, dass die Schüler als künftige Therapeuten sich in die Lage des Patienten hineinversetzen können.“

Bei allen Schwierigkeiten halte die Ausbildung auch Bereicherndes bereit. „Wir bieten vor allem viel Praxis“, nennt Ines Weinert den augenfälligsten Pluspunkt. Im zweiten und dritten Ausbildungsjahr geht es in mehrwöchige Praktika, die Auszubildenden laufen bei Ärzten mit, bekommen spannende Einblicke.“ Hinzu kommen Weiterbildungen, mit denen erste Zertifikate erworben werden können. Innerhalb der Schule gibt es Projekte zwischen verschiedenen Klassen, es gibt eine Kooperation mit einer Kita, Besuche von Fachmesse und Anatomie-Ausstellung sind Teil des Unterrichts.

Und wer die Ausbildung schafft, dem stehe ein facettenreiches Berufsfeld offen: „Man kann in einer Praxis arbeiten, oder in der Reha, im Krankenhaus, bei Krankenkassen. Oder man schließt ein Studium Rehabilitationspsychologie oder Lehramt an.“ Letzteres hat auch Ines Weinert gemacht, die seit 2008 an der Berufsschule in Stendal unterrichtet. „Und ich kann sagen, dass alle ehemaligen Schüler in Arbeitsverhältnisse gekommen sind, hier in der Region oder auch weiter weg.“