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Betrug Der Enkeltrick als perfides System

In Stendal sind in letzter Zeit gehäuft Senioren auf den Enkeltrick reingefallen. Warum funktioniert der Betrug noch immer?

Von Leonie Peschke 07.06.2017, 17:00

Stendal l „Mir passiert so etwas nicht!“ oder „Wie kann man denn darauf reinfallen?“ sind nur Beispiele für Gedanken, die einigen Senioren durch den Kopf gehen, wenn sie von Trickbetrug an Ihresgleichen hören. Bis es schließlich so weit ist und es ihnen doch passiert.

Auch in Stendal und Umgebung sind in letzter Zeit wieder vermehrt Trickbetrüger aufgetaucht. Falsche Polizisten meldeten sich telefonisch bei Rentnerinnen, warnten vor angeblichen Einbrüchen und wollten in Zivil bei den Damen vorbeikommen. Und auch der altbekannte Enkeltrick ist wieder häufiger gemeldet worden. Erst Anfang Mai fahndete die Polizei Stendal mit einem Phantombild nach einem Mann, der eine 87-jährige Stendalerin mit diesem Trick um 13 000 Euro gebracht hat. Wie viele Betrugsfälle an Senioren es genau gibt, ist schwierig zu erfassen. „Und es gibt leider auch eine hohe Dunkelziffer, weil viele ältere Menschen den Betrug nicht anzeigen“, sagt Ilona Wessner, Präventionsbeauftragte der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord.

Aber wie kann es sein, dass ältere Menschen immer wieder Opfer von Trickbetrügern werden? Inzwischen müssten die Tricks der Kriminellen doch eigentlich bekannt sein. Und auch Präventionsangebote gibt es doch schon seit Jahren in Hülle und Fülle. Trotzdem: Immer wieder tappen Senioren in die Falle und lassen sich das Geld aus der Tasche ziehen. „Das Hauptproblem ist, dass insbesondere Senioren sehr unter ihrer Einsamkeit leiden“, sagt Peter Pogunke, Pressesprecher des „Weisser Ring“ Landesverbandes Sachsen-Anhalt. Klingelt dann zum Beispiel ein Betrüger an der Tür, freuen sich die Senioren darüber, dass mal jemand vorbeikommt um ihnen Gesellschaft zu leisten. Zudem seien ältere Menschen häufig sehr vertrauensselig und schnell eingeschüchtert.

„Das perfide ist, dass die Trickbetrüger genau wissen, wie sie ihre Opfer um den Finger wickeln müssen und wie sie schnellstmöglich ihr Vertrauen gewinnen“, erklärt Peter Pogunke. Und dann sei es ein Leichtes, in die Wohnung der Senioren zu gelangen und Wertgegenstände mitgehen zu lassen. Tatsächlich geht es vielen Senioren in der Bundesrepublik Deutschland heutzutage vergleichsweise nämlich finanziell recht gut, Altersarmut ist zur Seltenheit geworden. Und polizeiliche Kriminalstatistiken zeigen, dass der Großteil von ihnen größere Summen Bargeld und Wertgegenstände zu Hause aufbewahrt.

 „Die Betrüger wissen eben auch, dass die meisten Senioren tagsüber zu Hause sind und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sie die Tür öffnen“, sagt Ilona Wessner. Darauf haben es die Trickbetrüger natürlich abgesehen. „Ältere Menschen sind häufig aufgeregt, sobald das Telefon läutet oder es an der Tür klingelt“, sagt Peter Pogunke. Schließlich komme das in ihrem Alltag nicht mehr so oft vor. „Das führt dann dazu, dass sie meist keinen klaren Gedanken fassen können.“ Eigentlich verständlich, denn es liegt in der Natur des Menschen, den Kontakt, den Dialog mit anderen Menschen zu suchen. So sind sie stets freundlich und hilfsbereit. „Und das nutzen die Betrüger ohne Rücksicht auf Verluste aus“, betont Peter Pogunke.

Allerdings sind nicht alle Senioren betroffen, wie Ilona Wessner erklärt. „Ist ein älterer Mensch viel in der Öffentlichkeit unterwegs, ist er erfahrungsgemäß vorsichtiger.“ Senioren, die sich gesellschaftlich hingegen zurückziehen und deren Leben sich eher in der Wohnung abspiele, seinen einem höheren Risiko ausgesetzt. Doch es ist nicht nur die Schuld der Senioren allein, dass sie immer wieder auf die Trickbetrüger reinfallen. Denn die lassen sich immer neue Ideen einfallen. Und natürlich sind sie auch nicht auf den ersten Blick zu erkennen, weil sie sich höflich und wohlerzogen geben. Und nicht nur das: Die Betrüger bereiten sich ganz genau auf ihren Coup vor und wissen über die Lebensgewohnheiten ihrer Opfer Bescheid. „Die Täter haben einen Plan A. Und sobald der nicht funktioniert, ziehen sie sofort einen Plan B aus der Tasche“, sagt Peter Pogunke.

Senioren, die Trickbetrügern zum Opfer gefallen sind, falle es häufig schwer, mit dem Erlebten umzugehen, erklärt Peter Pogunke. Viele von ihnen leben danach in Angst, andere schämen sich für das, was ihnen passiert ist. „Wieder andere ärgern sich im Nachhinein auch, dass sie von den Maschen wussten, aber trotzdem darauf reingefallen sind“, sagt der Pressesprecher des „Weisser Ring“-Landesverbandes Sachsen-Anhalt. Aus Scham erstatten viele Senioren keine Strafanzeige. Das führt schließlich dazu, dass es schwierig ist, die Täter zu fassen. „Einige rufen uns zwar an und berichten uns stolz, nicht auf den Betrüger reingefallen zu sein“, sagt Ilona Wessner. „Aber fast niemand kommt auf den Gedanken, sich das Gesicht der Person oder das Autokennzeichen einzuprägen“.

Ilona Wessner glaubt nicht, dass es künftig noch mehr Fälle von Trickbetrug geben wird. „Das kommt immer in Wellen“, sagt sie. „Die Trickbetrüger tauchen immer wieder mal auf, meist passieren die Fälle dann gehäuft in einer bestimmten Region, dann tauchen sie wieder ab.“ Im Grundsatz seien es aber immer die gleichen Maschen, nur mit einem neuen Dreh, erklärt Ilona Wessner. „Schützen Sie sich, indem Sie immer etwas misstrauisch sind“, rät auch Peter Pogunke.