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Blumenstrauß Beim Basteln Deutsch lernen

Seit über zwei Jahren betreut Monika Mrotzek afghanische Mädchen. Die Volksstimme hat sie nun mit dem Blumenstrauß des Monats ausgezeichnet.

Von Anastasia Hartleib 19.05.2018, 01:01

Stendal l „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich über Ihre Nachricht gefreut habe", sagt Monika Mrotzek bei der Begrüßung. Als sie dann endlich den Volksstimme-Blumenstrauß in den Händen hält, macht sich in ihrem Gesicht eine fast schon kindliche Freude breit, die den gesamten Raum in der Weberstraße 19 einnimmt.

Dort, im Haus der Kaschade-Stiftung, finden seit Januar dieses Jahres die wöchentlichen Treffen ihrer Bastelgruppe statt. Was im ersten Moment vielleicht etwas lapidar klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als wertvolle Lebens- und Integrationshilfe. Denn die Gruppe besteht aus fünf jungen Mädchen, die gemeinsam mit ihrer Familie aus Afghanistan flüchten mussten.

Warum gerade afghanische Mädchen? Die meisten anderen Nationen und Bevölkerungsgruppen, die in Deutschland Asyl suchen, würden sofort auf verschiedene Integrationskurse verteilt. „Nur die Afghanen wissen erstmal nicht so recht wohin", erzählt  Mrotzeks Lebensgefährte Hennig Sander.

Der 60-Jährige begann bereits 2015 damit, Deutschkurse für afghanische und indische Frauen zu geben. Gemeinsam mit seiner Kollegin Eleonore Loof empfing er übrigens 2016 einen Volksstimme-Blumenstrauß für sein ehrenamtliches Engagement.

Ihr Partner war es auch, der Monika Mrotzek zu ihrer freiwilligen Tätigkeit brachte. Anfangs hatte sie den Kindern der Frauen, die Sanders Kurs besuchten, Schülerhilfe gegeben. Und dann, im April 2016, begann sie mit ihrem ersten Bastelkurs. Der kam so gut an, dass sie nach den Sommerferien gleich weitermachte. „Ich hab damals mit zehn Kindern angefangen. Mittlerweile sind es aber nur noch fünf", erzählt Mrotzek.

Das wäre allerdings auch gar nicht schlimm, sagt sie: „Ich hatte gar keine Zeit, mich richtig um alle zu kümmern. Ich hab an einem Ende des Tisches einem Mädchen einen Begriff erklärt, damit es überhaupt weiß, was es machen muss, und am anderen Ende des Tisches mussten die Mädchen zusehen, wie sie klarkommen." Jetzt ist die Gruppe allerdings klein genug, um jedem der fünf  Mädchen die nötige Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken.

Dass die Gruppe überhaupt noch besteht, verdankt Mrotzek der Kaschade-Stiftung, sagt sie. Denn nachdem ihre Örtlichkeit in der Stadtseeallee nicht mehr zur Verfügung stand, bot Hans-Jürgen Kaschade ihnen das Stiftungshaus in der Weberstraße für ihre freitäglichen Treffen an. Außerdem übernähme die Stiftung auch die Kosten für die benötigten Bastel- und Backutensilien. Eine große Erleichterung, wie man der Ehrenamtlichen anmerken kann.

Im Übrigen richtet sich der Kurs nicht ausschließlich an Mädchen. Allerdings seien die Jungs, die dem Kurs einen Besuch abstatteten, schnell wieder verschwunden. „Die sind eben nicht so an dem, was wir hier machen, interessiert. Die wollen lieber Fußball spielen", sagt Mrotzeks Lebensgefährte Sander.

Monika Mrotzek bastelt nicht nur mit den Mädchen. Sie bringt ihnen alles bei, was für die spätere Haushaltsführung wichtig sein kann - stricken, nähen, kochen und backen. Der wichtigste Aspekt ihrer wöchtentlichen Treffen ist jedoch, dass ganz nebenbei Deutschkenntnisse vermittelt und kulturelle Bräuche und Traditionen erklärt werden.

So gibt Mrotzek vor jedem Feiertag einen Überblick, warum was gefeiert wird und wie man einen solchen Tag hier begeht. Ostern zum Beispiel hat sie mit den Mädchen  Eier marmoriert und Osterkerzen gebastelt. Ihr gehe es darum, den Kindern die Eigenheiten des Landes und der Region näher zu bringen. „Ein bisschen Orientierung zu geben", wie sie sagt.

Dazu gehöre auch, den fünfen beizubringen, dass man in Deutschland Wert auf Pünktlichkeit legt. „Und auch, dass man sich die Hand zur Begrüßung gibt. Zu Beginn sind die Mädchen immer mit einem kaum hörbaren Hallo an uns vorbei", sagt Henning Sander. „Aber mittlerweile funktioniere das ganz gut, meint Mrotzeks Partner. „Sie rufen jetzt auch an und sagen ab, wenn sie nicht kommen."

Monika Mrotzek bringt den Mädchen nicht nur allerlei Nützliches bei, sondern ist nebenbei auch eine Art Seelsorgerin für die Mädchen. Denn auch mal nachzuhaken und den Kindern die Möglichkeit geben, über Probleme zu sprechen, ist ein wichtiger Bestandteil der Treffen. „Ich möchte die Mädchen einfach unterstützen, für sie da sein. Und ihnen nebenbei noch etwas mit auf den Weg geben", sagt die 63-Jährige.

So unternahm sie in dieser Woche mit den fünf Mädchen einen Ausflug in einen örtlichen Einkaufsmarkt. Dort nahmen sie Lebensmittel und Getränke näher unter die Lupe und Mrotzek erklärte ihnen, was genau in den Nahrungsmitteln drin sei. Weitere Ausflüge und Unternehmungen sind für die kommenden Ferien ebenfalls schon geplant. Das sei jedoch eine Überraschung für ihre Gruppe, weswegen man jetzt noch Stillschweigen bewahren müsse, sagt die Stendalerin.

Ihr ehrenamtliches Engagement hört im Übrigen nicht bei der Gruppe auf, denn Mrotzek und Sander haben außerdem noch eine Patenschaft für eine afghanische Familie übernommen, deren Tochter ebenfalls bei den wöchentlichen Treffen dabei ist. Die beiden erzählen voller Stolz von den gemeinsamen Treffen und Unternehmungen und mit leuchtenden Augen berichtet Mrotzek: „Wir haben durch diese Patenschaft eine Familie dazugewonnen."