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Bombendroher Prozess droht zu platzen

Weil die Verteidigung ein zweites psychiatrisches Gutachten gefordert hat, droht der Prozess gegen den Stendaler Bombendroher zu platzen.

Von Wolfgang Biermann 30.07.2018, 23:01

Stendal l Am Montag wollte das Landgericht im Prozess um den Insassen des Maßregelvollzugs Uchtspringe, der unter anderem am 13. Dezember 2016 das Landgericht in Stendal telefonisch mit einer Bombenexplosion bedroht sowie zwei Justizvollzugsbeamte in der JVA Burg, als auch den Chefarzt des Maßregelvollzugs Uchtspringe und einen Pfleger geschlagen haben soll, das Urteil sprechen. Doch nach Anhörung des Gerichtspsychiaters, der wegen einer Störung der Bahn erst am Nachmittag sein Gutachten erstattete, forderte die Verteidigerin ein zweites psychiatrisches Gutachten. Das vorliegende Gutachten sei mit Mängeln behaftet, außerdem hätte es der Sachverständige an Sorgfalt fehlen lassen und nicht alle vermeintlichen Krankheitssymptome ihres Mandanten hinlänglich untersucht.

Dr. Frank M. Wegener, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Lüneburg, hatte dem Angeklagten eine „besonders ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung“ sowie leichte Intelligenzminderung attestiert. Von dem vielfach vorbestraften gebürtigen Hallenser, der sich seit 2003 abwechselnd im Maßregelvollzug oder im Gefängnis befindet, gehe eine große Gefahr für die Allgemeinheit aus. Schwere Straftaten seien zu erwarten. Wegener empfahl dem Gericht, die unbefristete Unterbringung im Maßregelvollzug. Über den Antrag der Verteidigerin zur Hinzuziehung eines Zweitgutachters will die Kammer unter Vorsitz von Richterin Simone Henze-von Staden am heutigen Tag befinden. Lehnt sie den Antrag ab, sollen die Plädoyers gehalten und das Urteil gesprochen werden. Gibt sie dem Antrag statt, gilt der Prozess als geplatzt und muss neu aufgerollt werden. Denn innerhalb der vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist könne kein neuer Sachverständiger sein Gutachten erstellen, war zu erfahren.

Wegner hatte in seinem Gutachten dem 34-Jährigen „geringe Frustationstoleranz, ausgeprägte Sprunghaftigkeit“, gepaart mit „massiven Stimmungsschwankungen bei Wunschversagung“ bescheinigt. 2015 war er vom Landgericht Stendal zu drei Jahren und sieben Monaten Gefängnis wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden, weil er einen Maßregelinsassen gewürgt und geschlagen hat. Zuvor war er schon 2013 vom selben Gericht zu dreieinhalb Jahren verurteilt worden.

Auch in diesem Fall hatte er einen Mitinsassen gewürgt und geschlagen. Angeklagt war in beiden Fällen versuchter Mord. Vielfach war der Angeklagte aufmüpfig und kam in Isolation. In einem Fall musste sogar das SEK anrücken, weil er das Inventar seines Zimmers zerschlagen und sich verbarrikadiert hatte.

Während des Prozesses werden dem als gefährlich geltenden Angeklagten die Fußfesseln nicht abgenommen, neben ihm sitzen Pfleger des Maßregelvollzugs. Gemäß Gutachten hat der in Heimen groß gewordene und seit frühester Kindheit als verhaltensauffällig geltende 34-Jährige angegeben, dass er mit dem IS (Terrororganisation Islamischer Staat) in Verbindung stehe. Dazu bediene er sich der „Vogelsprache“.

Außerdem sei er führender Kopf der „rechten Punkerszene“. Zudem könne er das Wetter beeinflussen. Wenn er in zwei Jahren nicht aus dem Maßregelvollzug entlassen werde, werde die Welt untergehen. Ähnlich wirr klingende Erklärungen hatte der Angeklagte auch im Prozess abgegeben. „Ich mache gerne Straftaten, das macht Spaß“, zitierte Richterin Henze-von-Staden aus der Gerichtsakte aus einem Brief des 34-Jährigen.