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Brandschutz Historiker entschwindet über Mauer

Stendaler Michael Schneider verabschiedet in den Ruhestand.

Von Volker Langner 02.08.2018, 01:01

Stendal l Mit Pauken und Fanfaren sagten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes des Landkreises Stendal am Dienstag Michael Schneider ade. Dazu hatten sie den Fanfarenzug Lüderitz engagiert und marschierten gemeinsam mit den Musikern zur Abschiedssause des bisherigen Sachgebietsleiters für allgemeine Ordnungsangelegenheiten ein.

Die Feier fand mit Familie, Freunden und nunmehrigen Ex-Kollegen sowie zahlreichen Feuerwehrleuten und Amtsträgern wie dem Vorsitzenden des Landesfeuerwehrverbandes und dem Kreisbrandmeister im Landesfeuerwehrmuseum an der Arneburger Straße in Stendal statt. Verständlicherweise, ist es doch für den gebürtigen Havelberger das zweite Zuhause oder – wie er selbst sagt – „mein Kind“. Michael Schneider, ehrenamtlicher Leiter des Feuerwehrmuseums, machte auch deutlich, dass er diese Vater-Rolle weiter ausfüllen werde, der berufliche Ruhestand keinen Abschied vom Feuerwehrmuseum bedeute. Wohl eher im Gegenteil. Er behalte das Ziel im Visier, „die Feuerwehr als Kulturgut zu etablieren“.

„Ein Großer der Feuerwehrhistorik gewinnt Zeit für sein Hobby“, schätzte dann auch Kreisbrandmeister Ringhard Friedrich ein. Sowohl in diesem Hobby als in der täglichen Arbeit im Ordnungsamt habe er vermittelt, „dass Feuerwehr mehr ist als rote Autos“. Zudem habe Schneider Geschichte und Ideale der Feuerwehr in die Öffentlichkeit getragen, merkte Friedrich an. Kai-Uwe Lohse, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes, stimmte zu, sagte: „Michael Schneider hat Spuren hinterlassen“, bevor er dem scheidenden Sachgebietsleiter mit dem Ehrenstern des Verbandes in Silber ehrte.

Schon als Kind hat die Feuerwehr Michael Schneider begeistert. In einer Schularbeitsgemeinschaft „Junge Brandschutzhelfer“ in Havelberg fing er Feuer. Das erlosch nie. Der gelernte Elektromonteur absolvierte in Heyrothsberge ein Studium zum Ingenieur für Brandschutz, arbeitete bei der Betriebsfeuerwehr auf der Großbaustelle des Kernkraftwerkes bei Arneburg und wurde nach seinem Diplom deren letzter Leiter.

1991 wechselte er ins Innenministerium und wurde der erste Feuerwehrbeamte in den neuen Bundesländern. „Der Aufbau der neuen Strukturen im Brandschutz hat riesigen Spaß gemacht“, erinnerte sich Schneider, dessen Handschrift das erste Brandschutzgesetz Sachsen-Anhalts trägt.

Über das Landesverwaltungsamt, wo er wieder im Brandschutz tätig war, vornehmlich Aufsichtsaufgaben wahrnahm, kam er vor rund acht Jahren zum Ordnungsamt des Landkreises Stendal. Da zeichnete der heute 63-Jährige unter anderem für den Brand- und Katastrophenschutz sowie die Waffenbehörde verantwortlich, vorübergehend auch für die Rettungsleitstelle.

„Wir waren ein tolles Team im Ordnungsamt“, blickte Michael Schneider am Dienstagabend mit kurzen Abstand auf seine Tätigkeit im Landratsamt zurück, der letzten Station in seinen 46 Arbeitsjahren. Allerdings deutete er auch an, dass aus seiner Sicht nicht alles eitel Sonnenschein ist. Vor Landrat Carsten Wulfänger – er war am Dienstag im Urlaub – ziehe er den Hut, sagte Schneider und verwies unter anderem auf dessen Krisenmanagement beim Elbehochwasser 2013. Allerdings wünsche er sich, dass der Landrat mehr auf seine Mitarbeiter achte und so das Arbeitsklima verbessern könne.

Zwar hatte Schneider zum Auftakt seiner Feier für den offiziellen Teil sozusagen als Tagesbefehl eine „kurze Verabschiedung“ und „Taschentücher bleiben weg“ ausgegeben, doch dann wurde es noch etwas wehmütig, kullerten bei Gästen sogar Tränen. So als der zweifache Vater und zweifache Opa sich unter anderem bei seiner Ehefrau Kerstin bedankte, für Stationen seines bisherigen Lebensweges Mitstreiter an seine Seite bat und zum Abschluss Trompeter Gigoi Ionel auf seinen Wunsch „Ich hatt‘ einen Kameraden“ spielte.

Dann zog sich Michael Schneider auf seine Art und augenzwinkernd zurück. In seiner Uniform als Brandamtsrat ließ er sich von einer Feuerwehrdrehleiter in den Stendaler Himmel heben, um dann zum Erstaunen der Gäste hinter der Mauer des Museumsareals zu entschwinden. Erst nach Minuten – Minuten der Besinnung – kehrte er als Zivilist zu der Feier zurück.