1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Auch Bier ist wetterfühlig

EIL

Brauerei-Handwerk Auch Bier ist wetterfühlig

Mit dem "Taubentanz" hat Norman Schönemann eine alte Stendaler Biermarke wiederbelebt. Er trinkt das Craft gern aus dem Weinglas.

Von Nora Knappe 21.04.2019, 02:00

Am 23. April ist ja nicht nur Welttag des Buches, sondern auch Tag des deutschen Bieres...
Norman Schönemann:
...gehört habe ich davon schon.

Und, haben Sie was Schönes vor oder wollten Sie an dem Tag arbeiten?
Ich werde arbeiten. Aber ich wollte schon immer mal eine Werbeaktion machen und auf dem Marktplatz ein Fass Freibier ausschenken. Es ist ja noch gar nicht so groß bekannt, dass es hier wieder ein Stendaler Bier gibt.

Stimmt es eigentlich, dass Sie selbst gar kein Bier trinken?
Nein, das stimmt nicht. Aber ich trinke wenig Bier. Schwarzbier gar nicht, höchstens mal ein Craft. Und wenn Bier, dann aus dem Rotweinglas.

Bier aus ʼnem Weinglas?
Ja, gerade unser Craftbier in der Sonderedition, das in Champagnerflaschen abgefüllt ist. Das ist ein Genuss!

Klingt sehr stilvoll. Sie scheinen das Biertrinken zu zelebrieren. Und wenn Sie dann mal ein Bier trinken, dann nur Ihr eigenes?
Auf jeden Fall mein eigenes, aber gern auch mal ein anderes. Zu bestimmten Speisen passt ein Bier besser als Wein.

Wozu passt es denn?
Grundsätzlich zu allen Fleischgerichten, je dunkler das Fleisch, desto dunkler das Bier. Zu Fisch schmeckt ein schönes helles Bier, das macht es insgesamt sehr frisch. Und wo es immer dazugehört, ist beim Grillen aufs Fleisch. Das gibt diesen typischen Geschmack, der darf nicht fehlen.

Also obwohl Sie wenig Bier trinken, haben Sie doch schon Geschmack dran gefunden. Sonst könnte man wohl auch schlecht Brauer sein, oder?
Klar, man muss ja auch probieren und wissen, was man den Leuten verkauft. Ich hatte auch schon Führungen hier in der Brauerei, da wird auch mal verkostet. Oder bei der Kundenakquise in Restaurants oder auf Märkten, da gehört das Probieren und Verkosten dazu.

Sie sind ja eine kleine Brauerei mit einer lokalen Marke und haben es trotzdem in die großen Supermärkte hier geschafft. Wie ging das denn?
Das war sehr überraschend auch für mich. Nach der Pressekonferenz zu unsererBetriebseröffnung im Juni 2017 riefen mich die Marktleiter an. Erst einer der Märkte, dann noch einer. Es gibt also Wege, dass es unser Bier hier jetzt überall zu kaufen gibt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Aber die Zeit war wohl reif für eine Brauerei in Stendal.

Sie sind Niederlassungsleiter einer Personalberatungsfirma. Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie sich beruflich nun auch dem Bier widmen?
Ich hatte eine landwirtschaftliche Fläche bei Stendal gekauft und dachte, dort Getreide anzubauen und eine Brennerei zu eröffnen. Aber das war per Gesetz bis vor einigen Monaten gar nicht so einfach, also bin ich zum Brauen umgeschwenkt. Und habe dann meine Garage zu einer Brauerei umgebaut.

Wo jetzt zwei recht große Braukessel stehen und einige Kästen Bier. So sieht also eine Mikrobrauerei aus...
Wir etikettieren hier auch von Hand und liefern selbst aus, ohne Zwischenhändler. Nur unser Pils lassen wir zum Großteil in Colbitz abfüllen und etikettieren.

Sie sprechen von „wir“, Sie machen das also nicht alles allein?
Mein bester Kumpel hilft mir. Der trinkt übrigens gar kein Bier.

Bauen Sie auf Ihrer landwirtschaftlichen Fläche eigentlich selbst Gerste und Hopfen an?
Nein, Gerste und Hopfen kaufen wir beim namhaften deutschen Großhändler. Auf der gekauften Fläche haben wir unser Lager und ein paar Schafe.

Wie viele Sorten Bier haben Sie inzwischen im Angebot?
Vier Sorten Bier. Und rote Fassbrause. Wir wollen auch nicht zu viel machen. Abgesehen davon machen wir jetzt auch Bierbrand und Gin. Und die nächsten Projekte gedeihen schon...

...okay, bevor wir zu viel Werbung machen, noch mal kurz zurück zu den Anfängen: Sie haben das einfach mal so gemacht?
Es war einfach eine Geschäftsidee, ich mag alte Traditionen, Handwerk, Kaufmannsläden. Und wenn man erst mal dabei ist, stellt man fest, dass Bier ʼne tolle Sache ist. Erst habe ich eine 30-Liter-Anlage gekauft, um mich Brauerei nennen zu können. Dann kam eine 300-Liter-Anlage, und da der Aufwand für 1000 Liter genauso groß ist, habe ich schließlich eine 1000-Liter-Anlage angeschafft. Damit können wir 2000 Liter am Tag brauen.

Wo haben Sie denn das ganze Brauwissen her – andere Leute lernen diesen Beruf ja richtig?
Entweder lernt man es drei Jahre lang oder man liest einfach zwei Bücher in zwei Wochen. Spaß beiseite, aber im Grunde ist Bierbrauen wie Marmeladekochen, ziemlich einfach, wenn man weiß, wie es geht.

Wenn Sie so erzählen, klingt Leidenschaft durch.
Ja, auf jeden Fall. Wenn alles industriell gemacht wird, hat es nichts mit Handwerk zu tun. Ich würde mir hier nie eins der gängigen Markenbiere aufmachen. Unser Bier aus der Flaschengärung schmeckt immer anders, je nachdem, was für Wetter am Brautag ist, ob Regen oder Sonnenschein, das schmeckt man. Und die Hopfen bestimmen natürlich das Aroma wesentlich. Die schmecken richtig fruchtig. Aber nur in der Flaschengärung, also dem Craftbier. Die Flaschengärung sorgt übrigens auch für die Haltbarkeit, wenn man das Bier nicht pasteurisieren oder filtrieren möchte – was aus meiner Sicht den Tod fürs Bier bedeutet. Aber Flaschengärung ist aufwendig, das machen viele Brauereien nicht.

Was ist das Besondere daran?
Je länger das Bier bei der Flaschengärung steht, desto mehr entfaltet sich der Geschmack. Der vorher zugesetzte Zucker wird dabei komplett abgebaut, wird zu Alkohol und Kohlensäure. Aber die entscheidende Rolle spielt der Hopfen. Er hat drei Funktionen: haltbar machen, bitter machen, Aromen verleihen. Beim Kochen verflüchtigen sich die Aromen, deshalb hopfen wir noch mal nach, so dass diese Hopfenöle dann im Bier bleiben.

Und da gibt es dann wie viele Geschmacksnuancen?
Ach, es gibt mehrere hundert Hopfensorten. Wir verwenden drei: Tettnanger, Spalter Select und Cascade. Cascade ist der typische Craftbier-Hopfen, der gibt einen Geschmack nach Zitrus und Grapefruit. Auch das Malz ist übrigens entscheidend, auch da verwenden wir drei Sorten.

Wie viel Zeit ist denn nötig, bis das Bier fertig ist?
Einen Brautag, dann eine Woche, bis es fertig vergoren ist, einen Tag fürs Abfüllen, zehn Tage für die Flaschengärung, dann mindestens drei Wochen in der Kühlung und dann Etikettierung und Auslieferung.

Das Bier, so scheint es, hat mittlerweile einen hohen Stellenwert in Ihrem Leben.
Ja, einen sehr hohen. Ich beschäftige mich jeden Tag damit, spreche jeden Tag über Bier, das nimmt ziemlich viel Zeit meines Lebens in Anspruch. Und ich habe Geschmack daran gefunden, gelegentlich mal ein Bier zu trinken. Das kann ich jedem nur empfehlen, soll ja auch gesund sein, in Maßen, natürlich.