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Briefwahlskandal Ein Gespräch, zwei Versionen

Worüber sprachen Hardy Peter Güssau und Ex-Landeswahlleiter Klaus Klang (beide CDU), als der Stendaler Briefwahlskandal ruchbar wurde?

04.04.2017, 23:01

Stendal/Magdeburg l „Es kommen in Stendal ganz leise Gerüchte auf, dass dort Vollmachten gefälscht sein könnten“ – am 10. November 2016 schildert Finanz-Staatssekretär Klaus Klang (CDU) den Mitgliedern des Landtags-Innenausschusses präzise, was sich mehr als zwei Jahre zuvor am Rande einer Landtagssitzung abgespielt hat. Stendals CDU-Landtagsabgeordneter Hardy Peter Güssau suchte am 20. Juni 2014 beim damaligen Verkehrs-Staatssekretär Rat – nicht zuletzt mit dieser Bemerkung.

Dass er als langjähriger Landeswahlleiter um einen Tipp gebeten wird, ist für den ausgewiesenen Kommunal-Experten nicht ungewöhnlich. So hilft er auch hier weiter: „Wenn das der Fall ist, dann handelt es sich um einen sehr ernsten Vorgang, dann sind wir nämlich nicht nur bei einer Urkundenfälschung, sondern auch bei einer Wahlstraftat. Dann würde ich sofort die Staatsanwaltschaft einschalten“, gibt Klang an dem Novembertag das Gespräch wieder.

„Wie soll man das denn verifizieren“, habe Güssau ihn dann gefragt. Dies sei eine Sache des Stadtwahlleiters, habe er geraten: „Ich würde in die Unterlagen schauen und prüfen, wer Briefwahl gemacht hat, und die dann kontaktieren. Punkt. – Das war das Ende meiner Aussage.“

Anschließend habe der Abgeordnete noch gesagt: „Ich weiß nicht, ob ich alles rechtlich richtig verstanden habe. Darf Sie der Stadt- wahlleiter noch einmal anrufen?“ Klang berichtet im Ausschuss über seine Antwort wie folgt: „Entschuldigung, das muss er selbst wissen. Das steht im Gesetz und das haben wir nicht erfunden. Das haben wir schon seit 1994, solange es die Kommunalwahlordnung gibt.“

Die Innenpolitiker wollten eine Sitzung später Hardy Peter Güssau zu dem damaligen Gespräch ebenfalls befragen. Doch der Stendaler Abgeordnete versetzte seine Fachkollegen, sprach stattdessen von „öffentlicher Vernehmung“ mit „parteipolitischem Kalkül“.

Auf mehrfaches Nachfragen der Volksstimme antwortete Güssau jetzt doch. „Gerüchte, dass bei den Vollmachten Unterschriften gefälscht worden sein könnten, waren nicht Gegenstand“ des Gespräches mit dem Staatssekretär gewesen. Es habe „keine Ratschläge bezogen auf einen Fälschungsverdacht“ gegeben, vielmehr habe er „lediglich einen Kontakt zwischen den Herren Kleefeldt und Dr. Klang herstellen wollen“.

Damit konfrontiert, entgegnete der Staatssekretär in dieser Woche der Volksstimme: „Ich bleibe bei meiner Darstellung.“

Nicht zuletzt sein Gespräch mit Klang löste im vorigen Sommer Güssaus Rücktritt als Landtagspräsident aus – genauer gesagt die Kommunikation darüber.

Über den elektronischen Nachrichtenkanal WhatsApp schrieb Güssau am 21. Juni 2014: „Gestern einen machbaren Weg mit Klaus (Klang, Anm. der Red.) besprochen und Kleefeldt hat mitgemacht.“ Und drei Tage später: „Dr. Klang hat eine mögliche Lösung gestern Carsten vorgeschlagen. Hoffentlich macht Axel mit!“

Die damaligen Wahlleiter Axel Kleefeldt (Stadt) und Carsten Wulfänger (Landkreis) geben an, den Inhalt des Gespräches von Güssau mit Klang nicht zu kennen. Landrat Wulfänger, der zu dieser Frage monatelang schwieg und der Anhörung des Innenausschusses ebenfalls nicht folgte, ließ jetzt so antworten: „Der Landrat kann sich nicht erinnern, eine Information von Güssau erhalten zu haben, welche sich mit Inhalten eines Gespräches zwischen ihm und Herrn Dr. Klang befasste.“

Vize-Oberbürgermeister Axel Kleefeldt, der als einziger des CDU-Trios im Dezember vor dem Ausschuss erschien, erklärte auf diese Frage: „Ich weiß nicht, was Herr Dr. Klang mit Herrn Güssau wann immer besprochen hat.“

Hätte Güssau damals Klangs Rat an Kleefeldt und Wulfänger weitergegeben, wäre die Fälschung bei einer entsprechenden Prüfung umgehend aufgefallen.

Allein bei Güssaus Wahlschein: Der Chef des Stendaler CDU-Stadtverbands hatte seinem damaligen engen Vertrauten Holger Gebhardt seine Wahlbenachrichtigungskarte überlassen. Nach Erkenntnissen der Ermittler fälschte Gebhardt dann Güssaus Wahlunterlagen.

Der Landtagsabgeordnete erklärte der Volksstimme, ihm sei „nicht aufgefallen, dass meine Stimme von Holger Gebhardt gefälscht worden sein könnte? Wie auch?“

Der designierte CDU-Kreisvorsitzender Nico Schulz geht hier klar auf Distanz: „Es ist für mich unverständlich, dass man den Vorgang der Wahl aus der Hand gibt“, bekannte er vorige Woche im Volksstimme-Interview.

Völlig unterschiedlich erinnern sich Güssau und Klang überhaupt an ihre Kontakte über diese Wahl in Stendal. Sie sei „immer wieder Thema bei unseren Gesprächen“ gewesen, so Verkehrs-Politiker Güssau. Klang widerspricht: „Das stimmt einfach nicht.“

Während Hardy Peter Güssau vor dem Innenausschuss die Wahl hatte, Rede und Antwort zu stehen, muss er sich einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellen. Sachsen-Anhalts Landtag wird ihn am 5. April einsetzen.