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Bundestagswahl Gute Plätze, aber keine Garantie

Die meisten Kandidaten in den Kreisen Stendal und Salzwedel kommen nur langsam in den Wahlkampfmodus. Doch wie sind ihre Chancen?

30.08.2017, 10:03

Stendal l Marcus Faber ist nicht nur Politiker, sondern auch Doktor der Politikwissenschaften. Er hat ein Szenario entworfen, bei dem alle altmärkischen Direktkandidaten der sechs chancenreichen Parteien in den Bundestag einziehen könnten. Das Ergebnis müsste in etwa so aussehen: CDU 29 Prozent (und damit das Direktmandat), SPD 19, Linke 19, Grüne 8, FDP 8, AfD 14. „Zugegebenermaßen nicht sonderlich realistisch, aber immerhin kurios“, merkt der Politikwissenschaftler an.

Nimmt man den Mandatsrechner, den der Wahlrechtsexperte Christian Brugger entwickelt hat und auf www.mandatsrechner.de jeweils die neuesten Umfragezahlen einlaufen lässt, geht das Direktmandat in der Altmark an den CDU-Bewerber Eckhard Gnodtke. Auch Matthias Höhn von den Linken darf den jüngsten Projektionen nach mit einem Einzug in den Bundestag über seinen vierten Listenplatz rechnen. Bei den anderen Vieren fehlt exakt je ein Sitz mehr für ihre Partei im Land Sachsen-Anhalt, um dem nächsten Parlament angehören zu können. Der Wahlkampf könnte sich also lohnen. Ein Überblick:

Eckhard Gnodtke: Der Christdemokrat hat nur eine Chance, in den Bundestag einzuziehen – über einen Sieg bei den Erststimmen. Alle Prognosen sehen im Land Sachsen-Anhalt derzeit die CDU-Kandidaten vorne – so auch den 59-jährigen Verwaltungsjuristen, der im Wahlkampf noch sehr zurückhaltend ist und kaum eigene Akzente setzt. Gnodtkes neunter Platz auf der CDU-Landesliste ist hingegen aussichtslos.

Marina Kermer: Die Sozialdemokratin setzt hingegen auf den Wahlkampf – und das muss sie auch. Auf ihrer 100-Orte-Tour bereist sie fast jeden Winkel. Schafft die SPD-Bundestagsabgeordnete es nicht mit einem Sieg bei dem Erststimmen, beginnt in der Wahlnacht – wie vor vier Jahren – eine Zitterpartie. Ihr vierter Listenplatz ist nur dann eine Garantie, wenn die SPD und ihr Kanzlerkandidat wieder zulegen und die 25-Prozent-Marke klar hinter sich lassen.

Matthias Höhn: Der Direktkandidat der Linken hat im Wahlkampf einen Spagat vor sich. Neben seiner Vor-Ort-Präsenz gilt es schließlich vor allem, als Bundesgeschäftsführer den gesamten Wahlkampf seiner Partei mit zu koordinieren.  Nach Bruggers Modell kann Sachsen-Anhalts Linke je nach Umfrage mit vier oder fünf Sitzen rechnen. Das würde reichen. Aber Stendals Linke-Kreisvorsitzender Mario Blasche gibt darauf nicht viel. „Wir wissen, dass es ganz anders kommen kann", erinnert er an die Landtagswahl im vorigen Jahr.

Marcus Faber: Vor acht Jahren hat es die FDP im Land geschafft, zwei Abgeordnete nach Berlin entsenden zu können. Das würde dem Stendaler auch gut passen, denn Faber hat den Listenplatz 2. Das setzt aber voraus, dass die FDP im Bund mindestens zehn Prozent schafft. Ansonsten greift vielleicht spätestens im Frühjahr 2021 ein Szenario, das Faber „Plan B" nennt: Bundestags-Spitzenkandidat Frank Sitta will in die Landespolitik. Zieht die FDP mit ihm in den nächsten Landtag ein, macht Sitta den Platz in Berlin für Faber frei.

Infografik: Wer wählt wen? | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Mirko Wolff: Für den Kalbenser war es ein Achtungserfolg, als seine Parteifreunde ihn im Frühjahr auf den zweiten Platz direkt hinter Spitzenkandidatin Steffi Lemke setzten. Doch die Grünen liegen im Bund derzeit deutlich unter zehn Prozent und sind im ländlichen Sachsen-Anhalt ohnehin kaum verankert, so dass dieser Platz etwas für die Galerie ist – sofern nicht Steffi Lemke irgendwann anderswo Karriere machen sollte.

Matthias Büttner: Als die AfD im späten Frühjahr Matthias Büttner auf den dritten Listenplatz wählte, war das mit großen Hoffnungen auf ein Bundestagsmandat verbunden. Doch nach Querelen in der Bundes- und Landespartei ist die AfD von ihrem Höhenflug in 2015 wieder in niederen Gefilden angekommen. Die Projektionen der jüngsten Umfragen sehen ein, allenfalls zwei Sitze, die die Partei in Sachsen-Anhalt erhält. Der 26-jährige Stendaler ist ohnehin eher defensiv, sagte sogar eine Reihe von Podiumsdiskussionen ab.

Es bleibt also spannend bis zum Wahltag. Eines deutet sich aber an: Der neue Bundestag dürfte größer werden als der bisherige. Regulär sind es 598 Sitze, im aktuellen Parlament sitzen 631 Abgeordnete, ab Oktober könnten es sogar bis zu 660 sein. Die Ursache: Die CDU gewinnt womöglich mehr Direktmandate als ihr nach Zweitstimmen zustehen. Daher gibt es Ausgleichsmandate für die anderen Parteien, um das durch die Zweitstimme festgelegte Kräfteverhältnis wieder herzustellen – nicht zuletzt ist das die Hoffnung für die altmärkischen Kandidaten mit aussichtsreichen Listenplätzen.