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Coronavirus Seniorenwohnpark unter Quarantäne

Nach Tod einer 88-Jährigen aus Tangermünde wurden mehrere Mitarbeiter und Mitbewohner positiv getestet.

Von Bernd-Volker Brahms 28.03.2020, 15:19

Tangermünde l Weit und breit ist kein Mensch auf dem Areal des Wohnzentrums für Senioren am Stadtrand von Tangermünde zu sehen. Bei Kontaktverbot in der Corona-Krise nicht verwunderlich. Doch hier ist es noch anders.

Aus dem Hauptgebäude eilt eine Frau über das liebevoll gestaltete Gelände. Sie trägt Schutzbekleidung – einen Kittel, Mundschutz und Handschuhe. Durch eine offen stehende Balkontür übergibt die Leiterin des Pflegedienstes, wie sich später herausstellt, einer Bewohnerin ein Blatt Papier. Anschließend verschwindet sie in einem Gebäude, um die amtliche Unterweisung, wie sich die Bewohner in der Quarantäne verhalten müssen, weiter zu verteilen.

Seit Mitte der Woche steht die Anlage unter Quarantäne, betroffen sind alle 26 Bewohner der Einzelzimmer und 28 Bewohner der Zweiraumwohnungen in den Reihenhäusern. Ein Teil wurde schon ab dem 20. März insoliert. Der Grund: Pflegemitarbeiter und Bewohner haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Mit Stand am gestrigen Freitag 13 Uhr „sind es fünf Mitarbeiter und drei Bewohner, die positiv auf Covid-19 getestet wurden“, teilt Fabian Biastoch, Sprecher der Humanas Pflege GmbH mit Sitz in Lindhorst bei Colbitz, mit.

Wie Biastoch auf Volksstimme-Nachfrage weiter mitteilt, sind zwei Bewohner in ein Krankenhaus verlegt worden, darunter die 88-jährige Frau am Morgen des 25. März, jedoch wegen Magen-Darm-Beschwerden. Wenig später nach ihrer Einlieferung verstarb die schwerkranke Frau an inneren Blutungen. Dass sie mit dem Coronavirus infiziert war, ergab eine routinemäßige Untersuchung bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus. Laut dem Robert-Koch-Institut werden seit dieser Woche alle Todesfälle, bei denen eine Corona-Infektion nachgewiesen wird, als Corona-Todesfall geführt.

Den Virus hineingetragen hat laut Gesundheitsamt ein Angehöriger eines Bewohners. Nach einem Skiurlaub in Italien sei er im Wohnpark zu Besuch gewesen, so die Amtsärztin Iris Schubert. Daraufhin steckte sich eine Pflegemitarbeiterin an, die ersten Quarantäne-Maßnahmen wurden verordnet. Nach den weiteren positiven Befunden wurden alle Bewohner am Donnerstag durch ein Team vom Gesundheitsamt getestet. „55 Tests waren es“, sagt Iris Schubert.

In der nun verordneten Quarantäne wird bei den Bewohnern zweimal täglich die Körpertemperatur gemessen. Sie werden zudem auf die Symptome wie Husten, Atemwegsprobleme, Fieber und Durchfall untersucht. Die Daten der Heimbewohner in Tangermünde werden mit dem Gesundheitsamt in Stendal ausgetauscht. Ein erneuter Corona-Test, wenn nicht individuell anders erforderlich, ist für den 8. April vorgesehen.

Bis dahin ist die Quarantäne verordnet. Für die Bewohner bedeutet das: Sie dürfen ihr Zimmer beziehungsweise ihre Wohnungen nicht verlassen. Der Besuch von den Angehörigen ist nicht gestattet. Der Kontakt kann somit nur per Telefon erfolgen. „Es ist sicher hart, aber wir müssen die strickten Schutzmaßnahmen einhalten“, betont die Ärztin.

Die Quarantäne gilt auch für das Pflegepersonal, jedoch unter Auflagen. „Das ist normal und auch üblich für Mitarbeiter in den medizinischen Bereichen“, sagt Iris Schubert. Zu den von ihr verordneten Auflagen gehören: Die Mitarbeiter des Wohnparks müssen Schutzkleidung während der Arbeit tragen, dürfen sich nur zwischen Wohnort und Arbeitsstätte in Tangermünde bewegen. Sie dürfen zwischendurch keine Einkäufe erledigen, Besuche machen und auch nicht ihr privates Umfeld verlassen, außer, wenn sie zum Dienst müssen. Hinzu kommt, dass sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen dürfen.

Priorität unter der jetzigen Situation ist laut der Amtsärztin, den Wohnpark nicht evakuieren zu müssen. Das ist auch im Sinn des Unternehmens, wie Dr. Jörg Biastoch gegenüber der Volksstimme sagt. Er ist Mitbegründer und Geschäftsführer der 2006 gegründeten Humanas Pflege-Gesellschaft. Seit Mitte März ist die Versorgung durch das Pflegepersonal in allen 14 Humanas-Wohnparks heruntergefahren worden. Nach und nach sind Gruppentherapien, Beschäftigungen und Veranstaltungen ausgesetzt worden.

Im Tangermünde Wohnpark sind normal 24 Mitarbeiter tätig, „derzeit sind es bis zu zehn“, sagt Jörg Biastoch und fügt hinzu: „Wir bewerten die Lage von Tag zu Tag neu.“ Er hoffe, dass für die radikalen Einschränkungen auch die Angehörigen Verständnis aufbringen. „Sie müssen genauso eine Sensibilisierung für das richtige Verhalten in der Corona-Krise entwickeln, wie unsere Bewohner.“