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Diskussionsrunde Wolfspolitik im Schussfeld

Obwohl das Thema emotionsgeladen ist, blieb das erste Bauernfrühstück dieses Jahres zum Wolf in Klietz eine sachliche Diskussionsrunde.

Von Egmar Gebert 01.03.2017, 00:01

Klietz l Nicht nur Bundesumweltministerin Barbara Hendricks kann neue provokante Bauernregeln. Dieser Art des politischen Reimens sind auch die altmärkischen Bauern mächtig. „Der Wolf im Land ohne Verbot, bringt Lamm und Kalb den sicheren Tod“. Auf Mini-Plakaten stand während des ersten Bauernfrühstücks dieses Jahres zu lesen, wie Landwirte die staatlich sanktionierte Praxis beim Umgang mit dem raubtierischen Rückkehrer bewerten. Diese neue „Bauernregel Nr. 1“ war mit der gleichen Pflanzen-, Früchte- und Tiersymbolik schnörkelig umrandet, wie die originale aus dem bundesministerialen Hause Hendricks, mit der die SPD-Politikerin bäuerliche Missstände anprangern wollte. Bekanntlich trat sie damit so tief ins Fettnäpfchen, dass sie ihre geplante Plakataktion stoppte, bevor sie angelaufen war.

Die Landwirte zahlen es ihr nun mit gleicher Münze zurück. Und sie wurden während des ersten Bauernfrühstücks dieses Jahres noch deutlicher. Rund 70 Mitglieder des die Veranstaltungsreihe organisierenden Kreis-bauernverbandes Stendal waren ins Klietzer Land-gut-Hotel „Seeblick“ gekommen, um dem Thema und der Forderung des Tages Nachdruck zu verleihen: Änderung des Schutzstatus Wolf – ein Muss zur Erhaltung der Weidewirtschaft in Deutschland.

Auch dafür, dass ihre Forderung Gehör finden würde, hatten die Organisatoren gesorgt. Neben den Landwirten aus der Altmark, Berufskollegen aus dem Jerichower Land und der Börde, war auch lokale Politprominenz der Einladung gefolgt, um ein heißes Thema kühlen Kopfes zu analysieren und zu diskutieren.

Das zu tun war unter anderem Peter Weber, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Sachsen-Anhalts, nach Klietz gekommen. Mit dem promovierten Agrarwissenschaftler Weber saß den Landwirten ein durchaus kompetenter Gesprächspartner gegenüber. Bis 2016 war er zudem als Kreisgeschäftsführer des Bauernverbandes Anhalt Kollege der Stendaler Kreisbauernverbands-Geschäftsführerin Kerstin Ramminger.

Sie trat als Erste ans Mikrophon. Das Thema Wolf sei ein emotional aufgeladenes. Hier die Schützer des Großraubtieres, dort die der Nutztiere. „Das wir uns auf die Seite der Nutztierhalter stellen, steht außer Frage.“ Klare Worte der Kreisgeschäftsführerin auch in Richtung der Weidehalter. Deren Existenz sei durch die wachsende Wolfspopulation in Sachsen-Anhalt bedroht. Ramminger mahnte bei den politisch Verantwortlichen Aussagen darüber an, wie der Wolf mit dem Erhalt der unverzichtbaren Weidehaltung – auch in mehr als 60 unter Schutz stehenden Landschaften im Landkreis – in Einklang gebracht werden soll.

„Wir müssen Fakten schaffen, um unseren Weidehaltern aber auch Teilen der ländlichen Bevölkerung, die mittlerweile betroffen sind, aus diesem Dilemma zu helfen“, so Ramminger. Wie konkret so ein Dilemma sein kann, darüber sprach neben anderen Hubert Aselmeyer, Landwirt aus Rehberg. Sein Hof befinde sich direkt am Rand der Klietzer Heide. Wölfe in der Nähe seien keine Seltenheit mehr. Ob Einzeltiere, Gruppen von zwei, drei Wölfen oder weibliche Tiere mit Jungen, alles habe er schon häufiger gesehen. Seine vorerst letzte Begegnung mit einem Wolf war auch die direkteste. Das Tier stand etwa 30 Meter von seinem Haus und den Mutterkühen entfernt. „Das Maß ist voll“, sagt der Landwirt auch angesichts dessen, dass er sich mit der Frage, wie er darauf reagieren soll, allein gelassen fühlt. „Ab wann gilt so ein Wolf als gefährlich? Ab zehn Meter vor dem Stall oder erst wenn er drin ist?“

Nicht die einzige Frage, auf die Hubert Aselmeyer keine Antwort weiß. Herdenschutzhunde für Kühe? „Ich habe noch keinen gesehen.“ Wolfsschutzzäune um die Weiden? „Das wären bei mir 40 bis 50 Kilometer.“ Hinzu kommt: „Die Entschädigung für ein gerissenes Tier ist bescheiden, geradezu lächerlich.“ Der Landwirt weiß nur eine Lösung: „Der Wolf muss ins Jagdrecht.“

Um den Schutz der Herden ging es auch Schäfermeister Rüdiger Kassuhn. Auf den enormen Aufwand, den seine Berufskollegen dafür betreiben müssen, machte er ebenso aufmerksam wie auf die Tatsache, dass es auf Entschädigungen keinen Rechtsanspruch gebe. Abgesehen davon, das Halter von 20 bis 30 Schafen nicht für Wolfsrisse entschädigt würden, weil sie keine Landwirte sind. „Aber sie halten die Genreserve für unsere Schafzucht.“

Hart, klar und unmissverständlich sind die Forderungen der Landwirte. Doch so unvermittelt gestellt, wie es während des Bauernfrühstücks erschien, sind sie nicht. Sie sind die lang gereifte, wenn nicht gar einzig mögliche Reaktion auf schon lange im Raum stehende Ungereimten, auf Ungeklärtes und Unbeantwortetes seitens der Politik im Umgang mit der Wolfsrückkehr. Die Bauern fordern Antworten. Einen Fragenkatalog dazu formulierten sie aus der Diskussion heraus. Und sie übersetzten ihre „neue Bauernregel Nr. 1“ ins auch für Politiker Verständliche: Der Schutzstatus des Wolfs gehört geändert und der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen.