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Ehrenamt Die Frau für tragische Felle

Marion Ewert bekam den Volksstimme Blumenstrauß des Monats Juli für ihr Engagement im Stendaler Tierheim.

Von Anastasia Hartleib 14.07.2018, 01:01

Stendal l Es kann aus Kannen gießen, stürmen oder schneien. Marion Ewert wird sich trotzdem auf den Weg ins Tierheim machen. „Selbst wenn Glatteis ist. Dann parke ich eben in Borstel und laufe hier runter“, sagt die 65-Jährige. „Die Hunde brauchen mich doch.“ Seit 2011 ist die Stendalerin Gassigeherin im Tierheim Borstel. Sie kommt fünf Mal die Woche für viereinhalb Stunden und geht in dieser Zeit mit drei Hunden nach draußen. 15 Kilometer macht sie so jeden Tag.

„Angefangen hat alles damit, dass mein Arzt mir sagte, ich muss mich mehr bewegen. Im Beruf saß ich den ganzen Tag nur am Schreibtisch. Naja und dann bin ich eben ins Tierheim gegangen“, erzählt sie. Anfangs sei sie nur am Wochenende gekommen. Zwei Jahre später packte sie dann die Leidenschaft. Sie nahm Urlaub, um jeden Tag zwei Stunden früher gehen zu können. Damit sie es noch rechtzeitig ins Tierheim schafft. Vor drei Jahren ging sie in Rente. Und seitdem verbringt sie so viel Zeit wie möglich mit ihren Schützlingen.

Marion Ewert kümmert sich vor allem um die schwierigen Fälle. Die, bei denen kaum Hoffnung mehr besteht, dass sie vielleicht doch irgendwann ein Zuhause außerhalb der Tierheim-Zäune finden werden.

Erlebt man die Tiere im Umgang mit Ewert, kann man sich das fast gar nicht vorstellen. Der Terrier-Mix Piro zum Beispiel: Seit 2011 ist er im Tierheim und begegnet auch den langjährigen Pflegern gegenüber mit Misstrauen. „An ihn traut sich keiner ran. Außer ich“, sagt die Rentnerin. Wenn Marion Ewert das Reich von Piro betritt, wird aus dem wütenden Zähnefletscher ein wahres Kuschelmonster. So sei das mit allen schwierigen Fällen. Gebissen? Wurde die 65-Jährige noch nie. „Für mich ist jeder Hund gleich. Egal, was für eine Vorgeschichte er hat.“

Der bald elfjährige Piro hat es ihr jedoch besonders angetan. Um mit ihm rausgehen zu können machte Ewert auch den Sachkundenachweis. Der ist erforderlich, sobald man mit Hunden umgehen möchte, die eine unschöne Vorgeschichte mitbringen. Der kostspielige Nachweis ist allerdings nicht das einzige, das Marion Ewert für „ihre“ Hunde angeschafft hat. Jeder Hund bekam ein eigenes Geschirr und eine Leine von ihr. Außerdem hat sie immer eigene Leckerlis dabei und bringt sogar für jeden Hund eine Bürste mit.

Sie geht mit ihnen raus, läuft dafür mehrmals die Strecke von Borstel nach Eichstädt und zurück, kümmert sich um die Fellpflege und geht mit den Hunden auch zum Tierarzt. Zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen oder Weihnachten kocht die Stendalerin Breulerkeulen für ihre Vierbeiner und sogar ihren Urlaub legt Ewert so, dass die Tiere so wenig Zeit wie möglich ohne sie auskommen müssen.

„Wenn wir aus dem Urlaub zurück kommen, schmeißt mein Mann mich immer erstmal hier raus, damit ich zu den Hunden kann. So verrückt ist doch eigentlich keiner“, lacht Ewert. „Das ist schon ein bisschen wie eine Sucht. Ich kann einfach nicht ohne meine Hunde.“

Am meisten genießt sie die Schmuseeinheiten mit den Vierbeinern. Auf die Frage, warum sie keinen ihrer Schützlinge adoptiere, sagt sie: „Neubauwohnung. Das geht einfach nicht, das kann man ja keinem Tier antun.“ Früher lebte sie in der Nähe von Havelberg, hatte auf ihrem Grundstück genügend Platz für Hund und Katze. Mit dem Umzug nach Stendal vor acht Jahren wich das Grundstück allerdings einer pflegeleichten Wohnung.

Um sich trotzdem nicht auf tierische Zuneigung verzichten zu müssen, kommt Marion Ewert tagtäglich zu ihren Vierbeinern nach Borstel. Das hat sie auch weiterhin vor: „Solange ich keinen Rollator brauche, werden die mich hier nicht los.“