1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Es war einmal Schreibwaren-Ullrich

Familiengeschäft Es war einmal Schreibwaren-Ullrich

Schreibwaren-Ullrich ist ein Stendaler Familiengeschäft mit langer Inhabertradition. Nun geht der Laden in neue Hände über.

Von Nora Knappe 26.01.2018, 00:01

Stendal l 140 Jahre Familien­tradition – die lässt man nicht so einfach los. Aber Klaus Ullrich hat sich mit dem Gedanken angefreundet, da ist er realistisch. Das Schreibwarengeschäft, das sein Urgroßvater Gustav 1878 als Buchbinderei gründete, geht demnächst in neue Hände über. Immerhin, könnte man sagen, denn dass Einzelhandelsgeschäfte heutzutage noch einen Nachfolger derselben Branche finden, ist nicht selbstverständlich. Ullrich hat ihn gefunden, ab Mitte März heißt der neue Inhaber Thomas Eberhardt. Der wiederum ist im Bereich Bürobedarf kein Neuling, betreibt in Bismark unter dem Firmennamen Alecso ein entsprechendes Geschäft.

Dass weder Sohn noch Tochter die Schreibwarenhandlung am Markt übernehmen wollte, können Klaus Ullrich (64) und seine Frau Christiane (61) ihnen nicht verübeln. „Eine unendliche Geschichte gibt es nie“, sagt er. Und sie ergänzt: „Wir wollen keinen reindrängen.“ Die Kinder gehen ihre eigenen Wege. Und haben sicher vor Augen, dass es in Zukunft nicht leichter wird. „Der Einzelhandel hat es insgesamt schwer, in einer kleinen Stadt wie Stendal erst recht“, sagt Ullrich, der im Laden seines Vaters ein paar Häuser weiter großgeworden ist, 1970 dort seine Lehre begann und ihn 1980 als HO-Kommissionshandel übernahm.

Mit dem Schwerhaben meint er nicht nur, dass die Kunden ins Internet abwandern, sondern blickt auch kritisch auf die Lieferantenseite: „Es ist härter geworden, von den Abnahmemengen und den Preisen her. Aber auch unpersönlicher.“ Arg zu schaffen machten dem Geschäft die vielen Bauarbeiten in Stendals Zentrum in den letzten Jahren. „Da sind die Kundenzahlen eingebrochen, das war wirklich schlimm“, erinnert sich Christiane Ullrich, die von Anfang an im Laden mitarbeitete. Dennoch gab und gibt es viele treue Kunden. „Ihnen gilt unser großer Dank. Und wir hoffen, dass sie auch unserem Nachfolger die Treue halten.“

Die Nachfrage nach Schreibwaren, die sei ja da. Vor allem Glückwunschkarten und Schulbedarf sorgten für Umsatz. „Das schöne Schreiben“ hingegen, wie es Klaus Ullrich nennt, „das ist eine Geldfrage.“ Auch wenn es ihm persönlich sehr wichtig ist. Gute Füller, schönes Papier... „Am liebsten hätte ich ja ‚Papeterie‘ an das Geschäft geschrieben, aber dieser Begriff ist vielen wohl nicht so geläufig.“

Mit Schreiben und Basteln hat es Thomas Eberhardt wiederum nicht so. „Ich? Um Gottes willen!“ Das sagt er frei heraus mit einem Lachen. Und trotzdem ist es ihm eine Freude, das Geschäft von Klaus Ullrich zu übernehmen. Klar, insbesondere aus unternehmerischer Sicht. „Der Standort! Für die Kunden ist das von großem Vorteil und uns erleichtert es die Arbeit, es bedeutet eine zweite Geschäftsfläche, dadurch können wir insgesamt ein größeres Sortiment anbieten.“ Aber auch aus emotionaler und stadthistorischer Sicht freut sich der 51-jährige Bismarker: „Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird. Schließlich sind Ullrichs Alteingesessene, den Namen kennt man nicht nur in Stendal.“

Als Reverenz an diese Berühmtheit soll der Namensschriftzug des Geschäftsgründers Gustav Ullrich an der Fassade bleiben. Sowieso wolle Eberhardt lieber „einen fließenden Übergang“ schaffen. Das zeigt sich bereits in einer allmählich sichtbar werdenden Sortimentserweiterung. Vor allem Schulranzen und -rucksäcke, aber auch Druckerzubehör sollen künftig mehr Platz finden. „Und der Bastelbereich wird stark ausgebaut“, kündigt Eberhardt an, der hier zwei Mitarbeiterinnen beschäftigen wird. Außerdem soll Lotto möglich sein, ebenso das Online-Bestellen.

Ohne Zugeständnisse an die Zwänge der Zeit und an das Begehr der Kundschaft geht es nicht. Das haben auch die Ullrichs so gehalten – seit 1878.