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Flüchtlinge „Es sind einfach nur Jugendliche“

91 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind derzeit im Landkreis Stendal zu Hause. Um sie ging es bei der Integrationskonferenz.

Von Thomas Pusch 07.04.2016, 01:01

Stendal l Zunächst hießen sie im Verwaltungsdeutsch „UMFs“, mittlerweile werden sie bevorzugt „UMAs“ genannt. Die Rede ist von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen oder eben unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen. Sie waren das Thema der 5. Integrationskonferenz, zu der Landrat Carsten Wulfänger (CDU) am Mittwoch eingeladen hatte. Es war die wohl meistbesuchte Konferenz, zahlreiche Stühle mussten zusätzlich hereingetragen werden. Und es war mit Blick auf das Thema eine sehr emotionale Konferenz. Schon der Einspieler, der das Schicksal eines afghanischen Flüchtlingskindes zeigte, weckte Gefühle. Wulfänger erinnerte sich an ein neunjähriges Mädchen aus Syrien, das in Klietz angekommen war. „Da waren noch ein etwa elfjähriger Bruder und ein 18-jähriger Junge dabei, das Mädchen war von der Flucht noch ganz durcheinander“, erzählte er. Dem Landkreis gelang es ein Telefonat mit der Mutter in der Türkei zu vermitteln, die dort in einem Flüchtlingslager hängengeblieben war. Ganz berührt erinnerte sich Wulfänger daran, was für eine Freude das für das Mädchen war.

275 Jungen und Mädchen wie die kleine Syrerin haben seit den Erstankömmlingen in der neu eröffneten Landesaufnahmeeinrichtung in Klietz den Landkreis Stendal durchlaufen, wie Jugendamtsleiterin Kathrin Müller sagte. Rund 75 Prozent von ihnen seien aus Syrien und Afghanistan. Derzeit sind es 91 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im Landkreis.

Birgit Schleinig, Leiterin der DRK-Kinderhäuser „Anne Frank“, erzählte, dass sie den Eindruck nie vergessen werde, wie sie am 20. September nach einem Anruf von Kathrin Müller nach Klietz kam und so viele junge Flüchtlinge ratlos auf der Bordsteinkante saßen. Zunächst wurde deren Betreuung in Klietz organisiert, dann ging es nach Havelberg. Und dort steht Ende des Monats wieder ein Umzug bevor, dann geht es in das ehemalige Internat. Ein strukturierter Tagesablauf sei von Anfang an wichtig gewesen und ausreichende Aktivitäten. „Langeweile sorgt entweder für Depressionen oder Aggression“, sagte sie. Und sie erzählte von Handyvideos, auf denen Erlebnisse der jungen Flüchtlinge zu sehen waren. „Die nehmen einen mit“, war sie betroffen.

Von Videos, die teilweise noch dramatischer als die Bilder aus dem Fernsehen waren, berichtete auch Ramona Lenz, Verbundleiterin der Jugendhilfe-Wohngruppen des sozialtherapeutischen Zentrums Gut Priemern. Fünf syrische Jungen holte sie aus Klietz als erste Gruppe ab – und erlebte einen Kulturschock, wie sie meinte. „Da waren so viele Menschen mit so vielen Nationalitäten, das war ungewohnt“, beschrieb sie. Die Frage stellte sich, ob man denn die ausländischen zusammen mit den deutschen Jugendlichen unterbringen könne. „Aber die treffen doch ohnehin aufeinander, warum nicht bei uns“, hatte Lenz eine überzeugende Antwort. Und trotz aller sozio-kultureller und religiösen Unterschiede klappe es mit der Verständigung, auf Englisch, mit Händen und Füßen oder halt mit Piktogrammen. „Es sind einfach nur Jugendliche“, resümierte sie.

Allerdings räumte sie auch ein, dass es nicht immer ganz konfliktfrei abgeht. „Das sind pubertierende Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, da liegt schon eine Menge Testosteron in der Luft“, gab sie einen Einblick. Nicht immer würden diese Konflikte nur beim Fußball ausgetragen, stets bleibe aber alles im Rahmen.