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Flüchtlingshelferin Erst als Deutsche verachtet, dann als Russin

Elona Streicher ist ehrenamtliche Flüchtlingshelferin aus Stendal. Im Offenen Kanal ist sie demnächst in einer Talk-Sendung zu Gast.

Von Thomas Pusch 02.10.2016, 01:01

Stendal l Die nächste Sendung der Talkshow-Reihe „Thomas Pusch“ wird am kommenden Dienstag, 4. Oktober, ab 18 Uhr im Stendaler Fernstehen ausgestrahlt. Zu Gast ist die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin Elona Streicher. Hier ein Auszug aus dem Gespräch.

Thomas Pusch: Vor 18 Jahren bist du als 13-Jährige aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Wie war das, was wusstest du über das Land?

Elona Streicher: In Kasachstan war ich eine Deutsche, was nach dem Zweiten Weltkrieg nicht immer so gut war. Ich wusste aber so einiges, ich hatte Deutschunterricht und auch die Oma hat zu Hause einiges erzählt.

Und was wussten die Deutschen über Kasachstan?

Das war schon anders, sie wussten sehr wenig. Manche wollten wissen, ob wir denn in Kasachstan überhaupt Häuser, fließendes Wasser und Strom haben und ob es dort noch Plumpsklos gibt.

Und wie ist es wirklich?

Fast so wie in Deutschland, nur nicht so sauber (schmunzelt). Ich habe in einem Block gewohnt, das war ein ganz normaler sowjetischer Block, der so ähnlich aussah wie die in Stadtsee.

Wie war das Ankommen in Stendal?

Ich war nicht mehr die Deutsche, die ich in Kasachstan gewesen war, jetzt war ich plötzlich die Russin. Wenn ich mich mit einer Freundin auf Russisch auf der Straße unterhalten habe, wurden wir angepöbelt, wir sollten doch wieder dorthin zurückgehen, wo wir hergekommen waren.

Wann kam für dich der Wendepunkt?

Es hat schon drei, vier Jahre gedauert, aber dann habe ich mich auch mit Deutschen angefreundet, um die Sprache besser zu können und besser lernen zu können. Die haben mich dann auch nicht mehr ausgelacht, wenn ich mich mal versprochen habe. Heute lache ich selbst darüber.

Du bist engagiert in der Flüchtlingshilfe, was hast du als Problem erlebt?

Es gibt so viele tolle Angebote, aber oft weiß man davon nichts oder die Anbieter voneinander. Deshalb habe ich die Internetseite www.wir-helfen-gern.com gegründet, die ist wie ein Marktplatz für Helfer und Hilfesuchende.

Deine Tochter ist ungefähr so alt, wie du warst, als du nach Stendal kamst. Was für ein Stendal der Zukunft wünschst du ihr?

Vor allem wünsche ich ihr, dass die Menschen toleranter und offener werden und ihre Vorurteile fallen lassen. Ich wünsche ihr eine Welt, in der die Menschen den anderen so akzeptieren, wie er ist, und alle in Frieden miteinander leben können.