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Flüchtlingshilfe Kommt mit mir ins Abenteuer Amt ...

Der Lotsendienst in Stendal hilft Flüchtlingen beim ersten Gang zur Ausländerbehörde. Weitere Mitstreiter werden gebraucht.

Von Nora Knappe 10.12.2015, 00:01

Stendal l Den Weg zeigen, begleiten, einweisen ... Diesen Synonymen für das Wort „lotsen“ müsste man eigentlich auch noch ein „Rettungsring sein“ hinzufügen, wenn es um die Helfer vom Stendaler Lotsendienst geht. An diesen Rettungsring klammern sich einmal in der Woche 15 bis 30 Flüchtlinge, die in Stendal Asyl suchen. Die Lotsen begleiten sie nämlich auf einem ihrer ersten komplizierten Gänge: dem zur Ausländerbehörde und zum Sozialamt.

Das mag sich erst einmal nach nicht viel anhören – für die Flüchtlinge aber ist diese erste Orientierung, das An-die-Hand-genommen-Werden eine große Hilfe. „Wir wissen ja selbst, wie kompliziert es manchmal es ist, mit Ämtern und Behörden zu tun zu haben“, sagt Karin Stöwesandt. „Und wie muss es einem da erst gehen, wenn man noch dazu in ein fremdes Land, in völlig neue Gegebenheiten kommt!?“ Für die 61-jährige Vorruheständlerin, in Amtsdingen aus ihrer beruflichen Tätigkeit beim Landkreis erfahren, ist es daher selbstverständlich zu helfen, „auch wenn es nur kleine Schritte sind“.

Diese kleinen Schritte beginnen nach Terminvereinbarung mit dem Landkreis morgens halb neun an der Gemeinschaftsunterkunft. Mit den in der jeweiligen Woche neu angekommenen Flüchtlingen, die dort oder dezentral in Wohnungen untergekommen sind, geht es zur Regis­trierung ins Hufelandhaus in der Wendstraße. „Mit diesem Dokument geht es dann zum Sozialamt, wo berechnet wird, was jeder Flüchtling an Leistungen bekommt“, erklärt Karin Stöwesandt. Mit dieser Bestätigung wiederum geht es zur Kasse. Und dann wird die Gruppe auch wieder zurück zur Gemeinschaftsunterkunft am Möringer Weg begleitet. Alles in allem sind die Lotsen vier bis fünf Stunden unterwegs – denn schließlich wird in den Ämtern ja jeder einzeln bearbeitet.

Bis zur vorigen Woche waren die Auszahlungsformalitäten noch im Landratsamt zu erledigen, mittlerweile sind beide Stellen in der Wendstraße zu finden. Das ist für die Lotsen eine Erleichterung – aber es fällt auch ein ganz praktischer Nebenbei-Effekt weg: der Gang durch die Stadt. „Auf dem Weg haben die Leute bisher gleich immer noch die Innenstadt gesehen, wir konnten ihnen Wichtiges zeigen und erklären“, sagt Karin Stöwesandt. „Mal sehen, ob wir das trotzdem beibehalten können.“

Der Lotsendienst hat sich im Frühjahr aus der studentischen Initiative „Refugees welcome“ (Flüchtlinge willkommen) heraus gebildet. Eine Entlastung für die Sozialarbeiter des Landkreises, die die große Zahl von Neuankömmlingen allein gar nicht mehr bewältigen könnten. Obschon sich an die 20 Freiwillige gemeldet haben, sind dennoch nur eine Handvoll aktiv dabei. „Der Großteil sind Studenten, und die haben nun mal vormittags Vorlesungen und Seminare“, zeigt sich René Hofmann verständnisvoll für dieses Dilemma.

Der 37-Jährige steht mitten im Berufsleben, ebenfalls in der Kreisverwaltung, und möchte dazu beitragen, „den Leuten durch unsere Hilfe die Unsicherheit ein Stück weit zu nehmen“. Er findet: „Man kann doch ganz einfach dadurch Unterstützung geben, dass man hier lebt und sich auskennt.“

Koordiniert wird der Lotsendienst von der Studentin Sarah Bührle. Sie hält den Kontakt zum Sozialarbeiter der Gemeinschaftsunterkunft, vereinbart die Termine. Warum sie sich auf diese Weise einbringt? „Ich finde es Grund genug, dass die Menschen aus dem Krieg kommen“, sagt die 27-Jährige. „Was sie erlebt haben, ist sehr bewegend. Und wenn ich ein bisschen dazu beitragen kann, es ihnen zu erleichtern...“

Dass Zeit, Energie und damit die Einsatzmöglichkeiten der Lotsen begrenzt sind, ist nachzuvollziehen. Zumal die Zahl der Ankommenden stetig größer geworden ist. „Anfangs hatte man einfach mehr Zeit für den Einzelnen“, sagt Karin Stöwesandt. Manche Kontakte hätten sich sogar zu Freundschaften entwickelt. Für viel Persönliches ist momentan jedoch gar nicht mehr die Zeit. „Wenn wir mehr Lotsen wären“, sagt René Hofmann, „dann könnten wir die Menschen auch mal bei Arztgängen begleiten oder uns in anderen Situationen kümmern.“

Wer sich vorstellen könnte, als Ehrenamtlicher dabei zu sein, kann sich per Mail an Sarah Bührle wenden (siehe Info-Kasten).