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Friedensdekade Von äußeren und inneren Kriegsspuren

"Kriegsspuren" ist das Motto der Friedensdekade. Auch in Stendal gibt es Angebote zu Austausch, Nachdenken und Gedenken.

Von Nora Knappe 04.11.2016, 00:01

Stendal l Kriegsspuren, möchte man meinen, gibt es hier mittlerweile gar nicht mehr. Höchstens in Form von Mahnmalen für Gefallene. Oder vielleicht entdeckt man noch das ein oder andere Einschussloch. Doch Kriegsspuren gibt es in Stendal wieder: Die vor allem aus Syrien und Afghanistan geflüchteten Menschen bringen sie mit – sie tragen sie in sich.

Und genau das ist es, worauf die Ökumenische Friedensdekade in diesem Jahr den Blick lenken möchte. „Kriege hinterlassen nicht nur äußere Spuren, sondern auch innere, nicht sichtbare“, formuliert es Pfarrerin Daniela Schröder, die die Stendaler Veranstaltungen mit organisiert hat und einen Satz des Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, dazu besonders treffend findet: „Schweigen ist wahrscheinlich die tiefste Spur, die Kriege in uns und unseren Gesellschaften hinterlassen.“

Im wöchentlichen Erzählcafé im Dom St. Nikolaus erlebt Daniela Schröder es immer wieder aufs Neue, wie sehr der Krieg in den Menschen Spuren hinterlässt: „Das, was sie dort erzählen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wie es in ihnen aussieht, kann man höchstens erahnen.“ Uns Hiesige gehe das unbedingt etwas an, denn „wir müssen uns fragen, wie wir an diesen Kriegen beteiligt sind“. Aber wir könnten dazu beitragen, dass die geflüchteten Menschen, solange sie eben hier sind, gut zurechtkommen, sich willkommen fühlen, womöglich ihren Seelenfrieden wiederfinden. „Wir sind jetzt ihr Schutzraum, das ist zivile Hilfe, eine Möglichkeit der Friedensarbeit.“

Die Friedensdekade – eine bundesweit von kirchlichen Gemeinden und anderen Gruppen getragene Initiative – bietet auch in Stendal die Möglichkeit, sich auszutauschen, nachzudenken und zu gedenken.

18 Uhr Andacht mit Bojan Godina, Pastor der Adventgemeinde, Charity-Shop (Nicolaistraße 19); 18.30 Uhr Imbiss;

19.30 Uhr „Gesprächsabend für Geflüchtete von 1945 bis heute“ (im Charity-Shop): Flüchtlinge unterschiedlicher Generationen erzählen von ihrer Flucht und davon, was das für ihr Leben bedeutet. „Wir wollen mit ihnen ins Gespräch kommen, damit auf beiden Seiten ein Stück Verständnis entsteht“, sagt Barbara Miesterfeldt. „Uns ist wichtig, dass junge Flüchtlinge wissen, dass es solche Geschehnisse hier auch schon gab. Und dass man die Chance hat, neu anzufangen und weiterzukommen.“

17.30 Uhr Pogromnacht-Gedenkweg: vom Friedhofseingang Osterburger Straße zum Jüdischen Friedhof, zum Krankenhaus und zum Obelisk im Alten Dorf. „Das Krankenhaus spielte im Nationalsozialismus kurze Zeit eine Rolle bei der Zwangssterilisierung Behinderter“, erklärt Daniela Schröder den Hintergrund dieses Wegpunktes. Der Obelisk im Alten Dorf wiederum erinnere an in den Krieg Gezogene, und darunter waren auch jüdische Bürger, „die als Patrioten gewollt und anerkannt waren, bis sie wenig später für die Gesellschaft nicht mehr vertretbar waren“.

Bitte beachten: Lampen für die Beleuchtung des Wegs und Kerzen/Grablichter für die Andacht mitbringen; Jungen und Männer müssen auf dem Jüdischen Friedhof eine Kopfbedeckung tragen.

19.15 Uhr Imbiss im Kino-Foyer, 19.45 Uhr Film „Die Schüler der Madame Anne“ (Eintritt 6 Euro). Der Film erzählt die Geschichte einer Schulklasse, in der kulturelle und persönliche Konflikte aufeinandertreffen. Für einen internationalen Schülerwettbewerb setzen sie sich mit der Judenverfolgung auseinander und entdecken dadurch schließlich die Kraft und die Chance, die in der Gemeinschaft liegt. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit.

18 Uhr in St. Jacobi Andacht zum Geburtstag Martin Luthers, mit Gemeindepädagogin Steffi Hohmann. 18.30 Uhr Imbiss in der Sakristei. 19.30 Uhr Stadtarchiv: „Kriegsspuren in Stendal“. Stadtarchivarin Simone Habendorf berichtet anhand von Stadtplänen, Dokumenten und Bildern, in welcher Form sich der Krieg in Stendal widerspiegelte und bis heute nachvollziehbar ist: vom „Adolf-Hitler-See“ über die Goetheschule und den Russenfriedhof bis hin zu Entnazifierung und Umsiedlerversorgung.

16.30 Uhr Martinstag-Andacht im Dom, anschließend Laternenumzug zur St.-Annen-Kirche, dort Imbiss.

18 Uhr Andacht „Mitten im Leben“, im Dom; 18.30 Uhr Imbiss im Domstift. 19.30 Uhr Kapitelsaal, Domstift: Gesprächskreis mit Professor Thomas Kliche von der Hochschule Magdeburg-Stendal zum Thema „Angst in Politik und Gesellschaft“. Kliche ist Politologe und Psychologe, er forscht unter anderem im Feld der Gesellschaftspsychologie und setzt sich mit Rechtsextremismus sowie seinen Folgen auseinander und analysiert die Hintergründe.

9.30 Uhr Gottesdienst im Kapitelsaal des Domstifts: Er steht unter dem Titel „Luther und Krieg & Frieden“ und ist vor allem für Schüler geeignet. Gestaltet wird er von Rabea Reinhold, Antje Walther und Jan Foit sowie dem Jugendchor der Domkantorei. 19.30 Uhr „Gebet für unser Land“, in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (Bahnhofstraße 8): mit Liedern, Informationen und Gebeten rund um das Friedensdekaden-Thema.

Alle Veranstaltungen sind kostenlos (bis auf den Kino-Film am 9. November) und für jedermann offen.