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Für Kitas Ein Koffer voller Sprachen

Das Angebot an mehrsprachiger Lektüre in der Stendaler Bibliothek wächst. Ganz neu ist ein Lese-Koffer für Kitas.

Von Nora Knappe 28.01.2018, 00:01

Stendal l Ein Regal mit englischsprachiger Literatur und Hörbüchern hat seit Langem seinen Platz in der Stendaler Stadtbibliothek. Auch Lehrbücher zum Deutschlernen sowie Wörterbücher findet man hier zur Genüge: Englisch, Französisch, Russisch, Polnisch, Italienisch, Türkisch, Arabisch... Nicht ganz so bekannt aber ist vielleicht, dass es auch zahlreiche Kinderbücher gibt, die parallel zum Deutschen die Geschichten auch in einer anderen Sprache erzählen. „Otto, die kleine Spinne“ kommt sogar in elf Sprachen gleichzeitig daher. Und inzwischen hat es auch eine Handvoll arabische Poesie in den Bestand geschafft, gibt es Gesprächs- und Bildwörterbücher in so ausgefallenen Sprachen wie Farsi, Tigrinisch oder Urdu.

Bibliotheksleiterin Brigitte Schnellhardt sieht dieses sich vergrößernde Angebot nicht nur als bloße Reaktion auf die aktuell wachsende Nationalitätenvielfalt, sondern ganz klar als einen Beitrag zur Integration: „Wir sind eine Kultur- und Bildungseinrichtung, es ist wichtig, die sprachliche Integration zu fördern und da möglichst früh den Grundstein zu legen.“ Dabei hilft seit Neuestem ein Bücherkoffer für Kitas, der kostenlos ausgeliehen werden kann. Eine bunte Auswahl an Kinderbüchern über Freundschaft, Kita, Familie, Schulbeginn, Gesundheit, Religion ist hierin zusammengestellt. Dazu kommen Zeige- und Bildwörterbücher und Elternbroschüren zum Kita- und Schulalltag sowie ein Dolmetscherbuch für Erzieher.

Einen ganz eigenen solchen Koffer hat die Stendaler Kita Bubila, mit der die Bibliothek seit zehn Jahren eng verbunden ist. Die integrative Kita mit Schwerpunkt Sprache ist regelmäßig zu Veranstaltungen in der Bibliothek zu Gast, baut das Vorlesen und das Lernen über andere Kulturen aber genauso in den Alltag ein – unter anderem mit mehrsprachigen Büchern. „Zum einen, um den Eltern zu zeigen, dass wir ihre Muttersprache wertschätzen, zum anderen aber auch, weil wir wissen, dass Kinder umso besser Deutsch lernen, je besser sie ihre Muttersprache können“, sagt Kita-Leiterin Andrea Butzek.

Ihr geht es dabei nicht ausschließlich um das pure Sprachenlernen, sondern auch um die Inhalte: „Die von uns ausgewählten Bücher sprechen Vielfalt-Aspekte an, es geht um die Flüchtlingsproblematik, um verschiedene Familienkonstellationen, um Feste in anderen Ländern.“ Jedes Kind, sagt Butzek, solle sich und seine Lebenswelt in den Büchern wiederfinden.

Diese Vielfalt an Lebenswelten abzubilden, ist auch Anliegen der Stadtbibliothek, weshalb Brigitte Schnellhardt im Verbund mit der islamischen Gemeinde und der Kita Bubila gern Partnerin im Projekt „Welcome to my library“ (engl., Willkommen in meiner Bibliothek) geworden ist, das vom Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt (Lamsa) initiiert wurde und die interkulturelle Öffnung von Bibliotheken und Kitas im ländlichen Raum befördern möchte. Zehn solcher Partnerschaften gibt es seit 2016.

Zu diesem Ansinnen passen auch regelmäßige Bibliotheksführungen für Migranten in Zusammenarbeit mit der Inlingua-Sprachschule in Stendal. Deren Leiterin Mechthild Bleuel geht es mit gewissem Weitblick „nicht nur um den reinen Sprachunterricht, sondern um den Zugang zu Bildung allgemein“. Die Geflüchteten hätten ja nicht gerade Bücher auf die Flucht mitgenommen. Manchen fehle der Zugang zum Lesen sogar komplett. „Da sind vor allem Kinderbücher gut geeignet, um die Lesefähigkeit auszubilden.“ Im Unterricht bleibe wenig Zeit für Lektüre, über AGs wolle man das etwas kompensieren. Aber noch besser fände Bleuel es, wenn sich Lesepaten fänden, spielt mit dem Gedanken eines Literaturclubs.

Die fremdsprachige Ausrichtung der Bibliothek sieht Schnellhardt übrigens nicht auf Leser mit ausländischen Wurzeln beschränkt. „Auch Deutschmuttersprachler profitieren von diesem Angebot, können ihre Fremdsprachenkenntnisse auffrischen.“ Apro­pos: Hand aufs Herz, wie sieht‘s bei der Leiterin mit Fremdsprachen aus? „Oh, mein Englisch ist wohl etwas eingeschlafen“, räumt Brigitte Schnellhardt ein und könnte jetzt, zugegeben, auch mit dem Schul-Russisch ad hoc nicht glänzen. „Bisher kam ich noch nicht in die Verlegenheit, das anwenden zu müssen“, sagt sie. Nun, immerhin hätte sie im Fall des Falles rasch den passenden Helfer zur Hand – in einem der vielsprachig bestückten Regale im eigenen Haus.

Der Kitakoffer "Welcome to my library" ist über die Stendaler Stadtbibliothek "Anna Seghers" (Mönchskirchhof 1) kostenlos ausleihbar. Telefon: 03931/712009, E-Mail: stadtbibliothek@stendal.de