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Gartenverein Kreativ gegen den Leerstand

Im Zuge des Wettbewerbs der Kleingartenvereine im Landkreis Stendal stellt die Volksstimme besonderen Sparten vor.

Von Antonius Wollmann 03.06.2019, 01:01

Stendal l Sie fallen sofort auf. Automatisch bleibt der Blick an ihnen haften. Der Kontrast zur Idylle der Gartensparte „Roland“ am Dahrenstedter Weg könnte kaum größer sein. Es sind die letzten Wohnblöcke des ehemaligen Wohngebietes Süd. Bisher vom Abriss verschont geblieben, erinnern sie an die Vergangenheit – als hier Mitte der 80er-Jahre ein neues Viertel hochgezogen wurde, das nur wenige Jahre später wieder verschwand.

Die Geschichte des kurzlebigen Stadtteils ist eng mit jener des traditionsreichen Gartenvereins verbunden. Gegründet wurde der zwar schon 1974 für die Mitarbeiter des damaligen VEB Stima, doch viele Pächter wohnten nur einen Steinwurf entfernt in den Plattenbauten. Als die Zeit über das Viertel hinwegging, hinterließ das auch in der Gartensparte seine Spuren.

„Als die Menschen Süd endgültig verlassen haben, hat auch bei uns der Leerstand deutlich zugenommen“, erzählt Aldo Süllwold. Er ist seit vier Jahren der Vorsitzende der Sparte „Roland“ und sitzt an einem sonnigen Sonnabendvormittag in der Vereinslaube. Schick eingerichtet haben sie die. Aus der Not eine Tugend gemacht sozusagen, nachdem der Pächter die Parzelle verlassen hatte. Doch damit sind sie ohnehin vertraut am südlichen Stadtrand. Statt der 135 Parzellen seien nur 98 verpachtet, berichtet der Sparten-Vorsitzende. Dass noch mal alle Flächen einen Pächter finden, sei unrealistisch. Da müsse man sich zwangsläufig was einfallen lassen.

Sehr gelegen ist dem Verein daran, die nicht bewirtschafteten Flächen nicht verwildern zu lassen. So wenig wie möglich sollen sie auffallen. Deshalb haben sieben Schafe ihre Heimat am Dahrenstedter Weg gefunden. Sie sorgen dafür, dass es keinen Wildwuchs auf den Brachen gibt. „Die Tiere sind sehr praktisch. Sie halten die Flächen kurz und sorgen gleichzeitig für die Düngung“, sagt Aldo Süllwold. Außerdem habe man nebenbei einen kleinen Streichelzoo erschaffen. In der Vergangenheit kooperierte man außerdem mit einem Kindergarten. „Leider hat das aus Zeitgründen nicht mehr hingehauen“, sagt der Vereinsvorsitzende mit Bedauern.

Er hat das Vereinsdomizil mittlerweile verlassen, um die gesamte Anlage zu zeigen. Kurz bleibt er an einem Zaun stehen, schaut sich eine Pflanze genauer an, setzt dann seinen Weg fort. „Sah nach Blattläusen aus“, sagt er nur beiläufig. Um zu ergänzen: „Wir legen hier Wert darauf, so wenig wie möglich Chemie einzusetzen.“ Umweltgerecht gärtnern wolle man stattdessen.

Ein passenderes Motto hätte sich der Gartenverein „Roland“ dabei kaum ausdenken können, wirkt die Anlage ohnehin sehr naturnah. Nur wenige Meter entfernt endet die Stadt, kein Straßenlärm dringt durch bis in die Lauben. „Unsere Sparte kann man getrost als grüne Lunge bezeichnen“, fasst Aldo Süllwold die Atmosphäre zusammen. Einige verlassene Parzellen würde man deshalb nicht mehr kultivieren, sondern schlicht bunte Wiesen sein lassen. Was dort wächst, wird wachsen gelassen.

Für den Vorsitzenden war es übrigens jener naturnahe Charakter, der ihn davon überzeugte, vor 14 Jahren in den Gartenverein einzutreten. Ein Hinweis, dass die Gärtner im Stendaler Süden keineswegs nur den Mangel verwalten wollen. Neue Mitglieder sind stets gern gesehen. Die Nationalität spiele überhaupt keine Rolle. Fünf Familien mit Migrationshintergrund hätten sich in den vergangenen Jahren bestens in die Gemeinschaft integriert. „Sie halten ihre Parzellen in Ordnung und helfen bei den Arbeitseinsätzen genauso fleißig wie die Deutschen“, so Süllwold. Natürlich sei da hin und wieder noch die Sprachbarriere. Die würde man aber früher oder später überwinden.

Wie zum Beweis, dass die Gärtnerei Grenzen überwinden kann, hat vor einigen Tagen erst eine deutsch-russische Familie eine Parzelle gepachtet. Fleißig helfen alle Familienmitglieder dabei, die Fläche wieder urbar zu machen.