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Gefangenenlager Schautafel erinnert an vergessene Geschichte

Eine Schautafel erinnert im Tangerhütter Heimatmuseum an das Kriegsgefangenenlager. Die Stifter berichten über deren Entstehung .

Von Rudi-Michael Wienecke 27.12.2016, 00:01

Tangerhütte l Noch ist wenig bekannt über das Tangerhütter Zweitlager des Stalag (Stammlager) XI Altengrabow, in dem während des Zweiten Weltkrieges tuberkulosekranke Kriegsgefangene inhaftiert waren. Anfang November brachten Gabriela Miedzinska aus dem polnischen Luban und ihre Familie etwas Licht ins Dunkel. Sie übergaben dem Tangerhütter Heimatmuseum eine Schautafel, die an das Leben von Leon Samol erinnert. Dieser, Miedzinskas Vater, war Kriegsgefangener in Tangerhütte und betreute als Sanitäter seine an Tuberkulose erkrankten Leidensgefährten.

Bei der Übergaben der Tafel war auch Helga Margan aus Berlin, die Großcousine von Gabriela Miedzinska dabei. In einem Brief an die Volksstimme bedankt sie sich bei der Stadt Tangerhütte und ihren Einwohnern für die Gastfreundschaft und sie schildert Hintergründe, wie es zur Entstehung der Tafel kam:

Zuerst gab es von meiner Großcousine Gabriela Miedzinska nur den Wunsch, Tangerhütte einmal persönlich kennenzulernen. Ihr Vater hatte viel über die Zeit in der Stadt gesprochen. Diesen Wunsch wollte ich ihr erfüllen und im Juli 2014 begannen die Aktivitäten.

Mit einem Schreiben wandte ich mich an die Tourismusinformation, die muss es ja in jeder Stadt geben. Der Anfang gestaltete sich etwas schwerfällig. Schließlich kam aus dem Amt des Bürgermeisters eine Nachricht und ich wurde an Frau Geffers verwiesen. Diese, sehr freundlich und aufgeschlossen, begrüßte unseren Wunsch, Tangerhütte zu besuchen. Den Hintergrund hatte ich ihr erläutert, denn wir brauchten ortskundige Unterstützung, um die Gebäude aufzusuchen, in denen einst die kranken Kriegsgefangenen untergebracht waren und gepflegt wurden.

Am 18. Juli 2015 war es dann so weit, Mit innerer Spannung und emotionalen Gefühlen trafen meine Großcousine mit ihrer Familie und ich mit meinem Sohn am Vormittag in Tangerhütte ein. Obwohl nicht alles so klappte wie vorbereitet, war der Aufenthalt für unsere deutsch-polnische Familie ein voller Erfolg. Wir lernten Herrn Geffers kennen, der uns sehr kompetent sein umfangreiches Wissen über die Stadt mit ihrer geschichtsträchtigen Vergangenheit vermittelte und viele Stunden seiner Freizeit opferte. Dem Ehepaar Geffers gilt unser aufrichtiger Dank. Solche engagierten Bürger trifft man nicht oft. Den Aufenthalt in Tangerhütte hielt mein Sohn mit der Kamera fest, woraus später ein Fotobuch entstand, um die Vergangenheit und auch die Gegenwart vor dem Vergessen zu bewahren.

Im November 2015 besuchte ich meine Großcousine in Luban. Sie zeigte mir den Nachlass ihres Vaters aus der Zeit seines Aufenthalts in Tangerhütte. Es wurde der Gedanke geboren, die Schautafel „Leon Samol - ein Leben in Tangerhütte“ zu gestalten. Auf den Spuren ihres Vaters wollten wir einen Zeitabschnitt der Stadtgeschichte von Tangerhütte dokumentieren, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Der Tangerhütter Ortsbürgermeister begrüßte unseren Vorschlag. Nun begann innerhalb unserer Familie eine Gemeinschaftsarbeit über Ländergrenzen hinweg, dank digitaler Technik wurde es möglich.

Unsere Arbeit möge dazu beitragen, die Erinnerung wach zu halten und jene Menschen nicht zu vergessen, die in schwerer Zeit deutscher Kriegsgefangenschaft einer heimtückischen Krankheit ausgeliefert waren. Diesen Menschen zu helfen, sie zu pflegen und an ihrer Seite zu stehen war gewiss das Anliegen des Sanitäters und Kriegsgefangenen Samol. Ihnen zu gedenken und die Ereignisse nicht vergessen zu lassen war unser Anliegen, der Grund, Tangerhütte diese Schautafel zu stiften.

Das Heimatmuseum mit seinem inhaltlichen Aufbau hatte uns sehr gefallen. Möge seine Aussagekraft noch vielen Menschen nachdenkenswerte Kenntnisse vermitteln. Die Stadt Tangerhütte und ihre vielen engagierten Bürger kennengelernt zu haben, war für unsere deutsch-polnische Familie ein Gewinn. Im stillen Gedenken, mit einem Blumengruß aus der Heimat und zwei Grableuchten für das Ehrenmal für die damals verstorbenen, meist polnischen Gefangenen, verließen wir emotional sehr berührt die Stadt Tangerhütte.