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Gender Pay Gap Die Lohnlücke in der Altmark

Warum Frauen im Landkreis Stendal auf den ersten Blick mehr verdienen als Männer und woher die Lücke zum Altmarkkreis Salzwedel kommt.

Von Mike Kahnert 14.08.2020, 03:00

Stendal/Salzwedel l Im Durchschnitt verdienen Männer in der Altmark in manchen Arbeitsbereichen fast 1000 Euro mehr als Frauen. Trotzdem sollen Frauen laut den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Landkreis Stendal durchschnittlich 2700 Euro verdienen, während Männer altmarkweit bei etwa 2500 Euro liegen. Im Altmarkkreis Salzwedel verdienten vollzeitbeschäftigte Frauen im Jahr 2019 rund 2300 Euro. „Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist eine lang bekannte Tatsache“, so Birgit Hartmann, Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Stendal. „Die durchschnittliche Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist in Deutschland seit 2006 weitgehend konstant geblieben.“ Demnach wäre der Landkreis Stendal eine Ausnahme.Laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit verdienen dort Frauen mehr als Männer. Das Zahlenwerk ist jedoch irreführend.

Zunächst werden nur Vollzeitbeschäftigte betrachtet. Im Landkreis Stendal stehen fast 8000 Frauen rund 14.000 Männern gegenüber. Von diesen Frauen arbeitet ein Großteil im hoch entlohnten Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“. „Generell sind Frauen im sozialen Bereich überrepräsentiert“, so Birgit Hartmann. Mehr als doppelt so viele Frauen arbeiten in diesem Bereich, auch im Altmarkkreis Salzwedel. Ihr Vorteil: Sie werden meist nach Tarif bezahlt. Eine Lohnlücke gebe es daher so gut wie nicht.

In Bereichen der kaufmännischen Dienstleistungen und Unternehmensorganisation klafft jedoch eine Lücke von fast 1000 Euro auf. Zudem arbeiten fast 10.000 Frauen gegenüber rund 1500 Männern im Landkreis Stendal in Teilzeit. Die tatsächliche Lohnlücke in diesem Bereich lässt sich scheinbar nur erahnen. Immerhin: Seit 2009 gibt es den „Equal Pay Day“ (dt. Gleicher-Lohn-Tag). Es ist ein internationaler Aktionstag, der kennzeichnet, bis wann Frauen im Jahr umsonst arbeiten. „Im Jahr 2020 fiel der Tag in Deutschland auf den 17. März. Somit haben Frauen insgesamt 77 Tage umsonst gearbeitet“, erklärt Birgit Hartmann. Im Umkehrschluss haben Männer für 77 Tage mehr Lohn erhalten als Frauen.

Schlimmer sieht es im Kreis Salzwedel aus. Dort ist die Lohnlücke noch größer als im Landkreis Stendal. Sogar im Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ verdienen Frauen 400 Euro weniger als Männer, und insgesamt arbeiten auch weniger Frauen in diesem Bereich.

Eine Erklärung für den Unterschied bietet Susanne Borkowski, wissenschaftliche Leiterin des Vereins Kinderstärken und Vertretungsprofessorin an der Hochschule Magdeburg-Stendal. „Der Altmarkkreis Salzwedel hat sowohl auf der Kreisebene als auch in den einzelnen Gemeinden viel kleinere Verwaltungsstrukturen“, erklärt sie. Somit arbeiten weniger Personen, „oftmals Frauen“, bei diesen tarifgebundenen Arbeitgebern. In der Kreisverwaltung Salzwedel waren es im Vorjahr 534 Beschäftigte, davon 375 Frauen. Im Kreisamt Stendal waren es 712 Beschäftigte, wie viele davon Frauen sind, konnte das Kreisamt bis Redaktionsschluss nicht mitteilen.

„Im Altmarkkreis gibt es auch weniger Kitas und Schulen“, so die Professorin. Hinzu kommt das Berufsbildungszentrum und die Hochschule in Stendal. Auch das Krankenhaus in Stendal ist mit mehr als 1000 Betten größer. Salzwedel hat nur rund 400 Betten, so Borkowski. Ihrer Auffassung nach spielt auch die Nähe zu Niedersachsen eine Rolle, so „dass insbesondere Männer auspendeln und vom Lohnniveau des anderen Bundeslandes profitieren.“

„Als weitere Erklärungsfaktoren für die geringeren Löhne der Frauen gelten Erwerbsunterbrechungen sowie geringere Arbeitszeiten“, so Birgit Hartmann. „Oft arbeiten Frauen familienbedingt in Teilzeit und das über Jahre“, so die Gleichberechtigungsbeauftragte.

Ihre Kollegin aus dem Altmarkkreis Salzwedel sagt dazu, „dass es jeweils eine ganz individuelle Entscheidung der Frauen in ihren Familien ist, welches Arbeitszeitmodell sie bevorzugen“. Aus der Sicht von Birgit Eurich „gibt es keine Hinweise darauf, dass Frauen es in den Unternehmen der Region schwerer haben sollten als Männer, eine Vollzeitanstellung zu erhalten.“