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Gericht Escort-Dame hinterzieht 600.000 Euro

Eine Altmärkerin hat mit einem Escortservice in Magdeburg fast 600.000 Euro Steuern hinterzogen. Grund dafür: Die Kunden zahlten bar.

Von Wolfgang Biermann 04.09.2020, 03:00

Stendal l Das Amtsgericht in Stendal hat in dieser Woche eine gebürtige Westaltmärkerin zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil die 40-Jährige als Inhaberin eines in der Landeshauptstadt Magdeburg ansässigen Escortservice von 2013 bis 2016 insgesamt fast 600.000 Euro an Steuern hinterzogen hat. Das Urteil an sich bot keinen Überraschungseffekt. Denn nach einem Geständnis der Angeklagten, in dem sie alle Vorwürfe einräumte, hatte der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts eine „verfahrensbeendende Absprache“, landläufig als „Deal“ bekannt, zwischen Staatsanwaltschaft, Finanzbehörde und der Angeklagten mit ihrem Verteidiger angeregt. Das lag nahe, da nach Auskunft des Gerichts die finanzamtlichen Steuerbescheide allesamt „bestandswirksam“ geworden sind.

Die Angeklagte hatte ihre Einsprüche dagegen zurückgezogen und zahlt mittlerweile monatlich 200 Euro von ihren Schulden ab. In etwa 235 Jahren wären die genau 562.946 Euro abbezahlt, etwaige Zinsen nicht gerechnet. Gleichwohl der Sachverhalt der Steuerhinterziehung nach Prozesseröffnung relativ schnell feststand, wollte das Gericht dann doch noch einige Details von der Angeklagten wissen, die sie bereitwillig preisgab.

Demnach hat die gelernte Bürokauffrau ihren Escortservice 2010 gegründet und 2018 aufgegeben. Bis zu 20 „Mädchen“ seien in Spitzenzeiten für sie tätig gewesen. Wobei sie nach eigenen Angaben ein „Stammpersonal von drei bis vier Mädchen“ beschäftigte. Die übrigen Damen seien Amateure gewesen und hätten oft nur stundenweise zur Verfügung gestanden. Die hätten mit ihren Einnahmen zumeist am Wochenende nur ihr Haushaltsgeld aufgebessert.

Wie ihr Verteidiger sagte, habe keine der Damen als Zeugin aussagen wollen, „weil sie im Hauptberuf was anderes“ seien. Sie selbst war in ihrem Geschäft zuweilen auch im Escortdienst tätig, sagte die Angeklagte. Ein Weisungsrecht will sie nicht gehabt haben. Die Frauen konnten ihren Angaben zufolge selbst entscheiden und Aufträge auch ablehnen. Es hätte Verträge gegeben, darin enthalten unter anderem Gesundheitspässe und „Auftragsgrundlagen“. Demnach hätte sie als Vermittlerin eine Art Provision kassiert. Die soll zu Beginn bei 65 Prozent, nach Ende der Einarbeitungszeit bei 60 Prozent der Stundengebühr gelegen haben. Für die ersten beiden Stunden musste der Kunde jeweils 150 Euro berappen, ab der dritten Stunde kosteten die nicht näher bezeichneten Dienstleistungen der Damen 100 Euro.

Zumeist seien es Einstunden-Jobs gewesen. Abgelaufen sei es so: Der Kunde rief an und bestellte aus einem Katalog eine bestimmte Dame mit den darin feilgebotenen Maßen und Dienstleistungen. Bezahlt worden seien die Frauen dann vom Kunden im Hotel oder einem anderen Dienstleistungsort in bar, gab die Angeklagte an. Da lag dann wohl auch das große Problem. Denn die gelernte Buchhalterin verbuchte weniger als sie einnahm – viel weniger.

Die Steuerfahnder kamen ihr durch eine anonym zugesandte CD-ROM auf die Schliche. Bei einer Razzia wurde der Geschäfts-PC beschlagnahmt. Die darauf befindlichen gelöschten Dateien (Excel-Tabellen) konnten von IT-Spezialisten wiederhergestellt und so der Betrug in Zahlen festgemacht werden. Das Urteil ist rechtskräftig, alle Beteiligten verzichteten auf Einlegung von Rechtsmitteln.