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Gericht Ist der Betrüger der Betrogene?

Wegen einer angeblichen Corona-Erkrankung wollte der Angeklagte erst nicht vor dem Amtsgericht in Stendal erscheinen.

Von Wolfgang Biermann 18.07.2020, 07:00

Stendal l Ein 43-Jähriger aus der Region Osterburg ist wegen Betruges mehrfach vorbestraft und steht derzeit unter dreifacher Bewährung. Nun werden ihm neue Straftraten vorgeworfen. Die Erklärungen, die er dazu jetzt am Stendaler Amtsgericht vorbrachte, klangen derart diffus, dass Staatsanwaltschaft und Gericht nach gut einstündiger Verhandlung überein kamen, den Prozess abzubrechen. Wann der neu anzusetzende Termin sein wird, steht noch nicht fest. Worum geht es?

Am 17. Oktober vorigen Jahres kaufte der im gesundheitsfördernden Bereich tätige Angeklagte im Internet vier Karten für das Pokalspiel Werder Bremen gegen FC Heidenheim am 30. Oktober 2019. Die Karten zum Preis von insgesamt 160 Euro wurden vom Anbieter auf dem Postweg geliefert und nachweislich am Morgen des 29. Oktober vom Angeklagten abgeholt. Bezahlt hat er sie bis heute nicht. Für das Warum lieferte er im Ermittlungsverfahren und im Prozess gleich mehrere Varianten ab.

So seien die Karten erst nach dem Spiel, also zu spät angekommen. Das könne nicht sein, hielt das Gericht dagegen. Nachweislich seien die Karten im Stadion entwertet worden. Sodann tischte der Angeklagte Variante zwei auf. Die Karten seien wohl rechtzeitig angekommen, aber ob die Bekannten, denen er die Karten geschenkt haben will, auch in Bremen waren, wisse er nicht. Nachgefragt hätte er nicht. Warum nicht? Ausflüchte gab es zur Antwort. Licht ins Dunkel sollen nun die Bekannten als Zeugen bringen.

Zur zweiten Anklage: Am 3. Februar dieses Jahres bot der gebürtige Perleberger, der sich nach eigenen Angaben in Privatinsolvenz befindet, auf eBay ein hochwertiges Smartphone der Marke Apple – iPhone 11 Pro Max – zum Preis von 900 Euro an. Ein Interessent aus dem Ruhrgebiet zahlte die 900 Euro, erhielt das Smartphone aber nie. Auch dafür hatte der Angeklagte eine Erklärung. Demnach sei der Käufer nicht identisch mit dem Mann, an den er das iPhone geliefert hätte. Angeblich hätte sich ein unbekannter Dritter in den Kaufablauf eingeklinkt, und an dessen Adresse hätte er das Smartphone geschickt. Das will er aber erst später bemerkt haben. Er selbst sei hier der Betrogene, wollte er dem Gericht weismachen. Das war der Staatsanwältin und dem Gericht dann doch zu viel. Sie werden einen neuen Prozess ansetzen und dann soll auch der iPhone-Käufer aus Essen als Zeuge aussagen. Außerdem sollen Chat-Verläufe und Sendungsnachweise vorgelegt werden.

Interessante Randnotiz zum Fall: Weil der Angeklagte vor dem Prozess angegeben hatte, er sei an Corona erkrankt und könne nicht kommen, hatte ihn das Gericht zum Test geschickt. Ergebnis: negativ, keine Corona-Erkrankung.