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Gericht 450 Euro für zwei Flaschen Wodka

Zwei Flaschen Wodka kosten einen 29-Jährigen nun indirekt 450 statt 9,98 Euro. Der Fall wurde vor dem Amtsgericht Stendal verhandelt.

Von Wolfgang Biermann 19.12.2018, 00:00

Stendal l Zwei Flaschen Wodka im Wert von 9,98 Euro am Morgen des 4. August 2018 in einem Supermarkt im Wohngebiet Stadtsee gestohlen zu haben, wurde jüngst einem 29-Jährigen vorgeworfen. Das Amtsgericht Stendal hatte dazu im Vorfeld einen Strafbefehl über 300 Euro Geldstrafe gegen den gerichtsbekannten Angeklagten erlassen. Der legte aber Einspruch ein, so dass der Fall verhandelt wurde.

Er habe den Wodka nicht gestohlen, behauptete er. Vielmehr habe er das Geld abgezählt in der Hand gehabt. Doch die Kassiererin habe das Geld nicht angenommen, weil sie „zu faul“ zum Zählen gewesen sei. Darum will er das Geld aufs Band geworfen haben und mit den Flaschen weggegangen sein.

Allerdings kam er nicht weit, denn der von der Kassiererin alarmierte Wachschutz hielt ihn nahe des Tatortes fest und brachte ihn zurück. Dass er das Geld abgezählt bereitgelegt habe, stimme nicht, hielt die Ladendetektivin als Zeugin dagegen. Sie habe das Geld auf dem Band liegen sehen – „lauter Cent-Stücke, die nicht für zwei Flaschen Wodka reichten“. Sie habe den Angeklagten samt der Cent-Stücke der Polizei übergeben: „Die war sowieso gerade vor Ort.“

Die Beamten nahmen demnach eine Atemalkoholprobe und den ihrer Ansicht nach „stark alkoholisierten“ Angeklagten anschließend mit. Was die Probe ergab, wisse sie aber nicht. Das stünde leider auch nicht in den Akten, sagte Richter Thomas Schulz. Der Angeklagte gab dazu an, dass er schon am frühen Morgen des Tattages Alkohol getrunken habe, wie viel wisse er nicht mehr. Für Staatsanwältin und Richter war die Sache klar: klassischer Fall von Ladendiebstahl.

Nicht so für den Verteidiger des Angeklagten. Die Kassiererin hätte demnach das Geld annehmen und zählen müssen. Er zog dazu das Bürgerliche Gesetzbuch als Argumentationshilfe heran. Die Kassiererin sei im Unrecht, sie könne doch nicht einfach einen Kauf ablehnen.

Die Kassiererin habe den Kauf verweigern dürfen, so der Richter. Deshalb durfte der Angeklagte den Wodka auch nicht einfach mitnehmen. „Der Kaufvertrag ist nicht zustande gekommen, aus welchen Gründen auch immer“, sagte Richter Schulz.

Die 150 Euro-„Fangprämie“ habe seine Mutter zwischenzeitlich an den Supermarkt gezahlt, gab der Angeklagte an. Er habe ein Kind, für das der Landkreis Unterhaltsvorschuss zahle und lebe als Russe hier in Stendal im Status der Duldung von Sozialhilfe.

Nachdem ihm Richter Schulz klargemacht hatte, dass es am Ende keinen Freispruch geben würde, zog der achtfach vorbestrafte Angeklagte widerwillig seinen Einspruch zurück. Insgesamt kosten ihn die zwei Flaschen Wodka inklusive „Fangprämie“ nunmehr also 450 Euro.