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Gesundheit Stendaler kämpfen mit Depressionen

Immer mehr Menschen im Landkreis Stendal leiden an psychischen Problemen. Die Amtsärztin spricht von einem gesellschaftlichen Problem.

Von Antonius Wollmann 14.05.2019, 01:01

Stendal l Es ist nicht so, dass Amtzsärztin Dr. Iris Schubert in Panik verfallen würde. Dafür ist die Medizinerin zu abgeklärt und zu lange im Geschäft. Nachdenklich stimmt es sie trotzdem, dass sich immer mehr Menschen an den sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises wenden. Waren es im Jahre 2005 noch 355 Klienten, liegt die Zahl seit 2016 konstant über der 650-Personen-Marke. Die Statistik stellte Iris Schubert am Mittwoch im Sozialausschuss des Landkreises vor.

Aus Sicht der Amtsärztin eine bedenkliche Entwicklung „Wenn sich Menschen an den sozialpsychiatrischen Dienst wenden, geht es ihnen in der Regel ziemlich schlecht“, sagt die Amtsärztin. Mit anderen Worten: Sie wissen schlicht nicht weiter, sind dringend auf Hilfe angewiesen. Dies bildet sich in der Zahl der sogenannten Kontakte ab, also im direkten Austausch zwischen Klienten und Mitarbeitern des Gesundheitsamtes. Auch hier sprechen die Daten eine deutliche Sprache. Belief sich die Zahl vor 14 Jahren auf 1311 Kontakte, waren es 2018 ganze 5523. Wobei Iris Schubert anmerkt: „Die reine Zahl sagt natürlich wenig über den Inhalt der Gespräche aus. Da reicht das Spektrum vom kurzen Telefongespräch bis zu einer mehrstündigen Krisenintervention.“ In diesem Zusammenhang überrascht es wenig, dass die Klientengruppe „Psychisch Kranke“ im gleichen Zeitraum ein ähnlich starkes Wachstum zu verzeichnen hat. Sie erreichte 2018 mit 505 Klienten einen neuen Höchststand. Zur Erinnerung: Vor 15 Jahren umfasste die Gruppe noch 175 Personen.

Doch wo liegen die Gründe für den massiven Anstieg? Die Antwort fällt Iris Schubert nicht leicht. Dafür ist das Thema zu komplex. Jedoch macht sie gewisse gesellschaftliche Entwicklungen als Ursache aus. „Ich denke, dass viele Menschen ein Gefühl der Überforderung mit sich tragen. Es herrscht ein Klima der Verunsicherung“, liefert die Ärztin einen Erklärungsansatz. Manchen Menschen fehle es an Orientierung und Struktur. Die Anforderungen des Alltags würden sie überfordern. Ein gewisser Leistungsdruck komme noch dazu.

Ob deshalb die Depression (affektive Erkrankung) mit 181 Fällen das häufigste Krankheitsbild ist, lässt sich nicht abschließend klären. Es folgt die Schizophrenie auf dem zweiten Rang mit einer Fallzahl von 88. Im Vergleich zum Jahr 2005 hat sich damit im Krankheitsranking eine gravierende Veränderung vollzogen. Wurden damals nur sechs Depressive aufgeführt, waren es im vergangenen Jahr 181. Einst auf dem Platz eins, sind die gerontopsychiatrischen Erkrankungen mittlerweile auf dem dritten Platz.

In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere wichtige Frage: Ist das Gesundheitsamt des Kreises nicht mit der Vielzahl der Klienten überfordert? Denn personell aufgerüstet wurde in dem betreffenden Zeitraum nicht. Um den gestiegenen Ansprüchen Herr zu werden, wurden die Arbeitsstunden erhöht.

„Die Aufstockung war nötig, sonst hätte es nicht geklappt“, sagt die Amtsärztin. Ist bekannt, dass Mitarbeiter längerfristig ausfallen oder ganz verloren gehen, bemühe man sich frühzeitig um Ersatz. So seien allenfalls im Ausnahmefall einmal Lücken entstanden. Daran käme man nicht vorbei, weil das Prozedere bei den Ausschreibungen für den öffentlichen Dienst nicht eben unkompliziert sei.