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Neues Museum dokumentiert Wandel eines Kasernenkomplexes zur Hochschule "Graf Tauentzien" wird Campus

Von Reinhard Opitz 06.12.2012, 01:42

Das gibt\'s kein zweites Mal in Stendal: Studierende und Mitarbeiter der Hochschule haben die Geschichte des Kasernenkomplexes und die Entwicklung der Fachhochschule historisch dokumentiert. Das einmalige Hochschulmuseum ist gestern der Öffentlichkeit vorgestellt worden.

Stendal l Ab sofort sollte man allen Stendal-Besuchern - erst recht, wenn sie aus der ehemaligen Sowjetunion kommen - und natürlich den Stendalern selbst eine neue Sehenswürdigkeit der Stadt ans Herz legen: Das von Studierenden und Mitarbeitern der Hochschule liebevoll gestaltete Hochschulmuseum, das gestern eingeweiht wurde, zeigt eine weithin einmalige Sammlung von Dokumenten und Fundstücken aus der Geschichte der einstigen Tauentzien-Kaserne, vor allem aus den Zeiten der Roten Armee, und zur Entwicklung der Hochschule bis in die Gegenwart.

Schauplatz ist der weitläufige Keller des Hauses 3 auf dem Campus an der Osterburger Straße. Dessen in unsaniertem "Rohzustand" belassene Räume, an deren Wänden noch Aufschriften von der Wehrmachtszeit künden, haben schon für sich musealen Wert.

Im langgestreckten Flur empfängt ein Zeitstrahl die Besucher. Knappe Texte, jeweils mit Fotos ergänzt, geben einen kompakten Überblick über den Werdegang des Komplexes. Es beginnt mit dem Bau des Kasernenviertels "Graf Tauentzien" in den Jahren 1936 bis 1938, setzt sich über die Inbesitznahme durch die Sowjetarmee in den Jahren 1945 bis 1994 fort, belegt den Werdegang der Fachhochschule, der 1992 zunächst andernorts in Stendal begann, und reicht bis in unsere Tage. "Und wir haben noch eine ganze lange Wand Platz für die Zukunft", freute sich Prorektor Prof. Dr. Wolfgang Patzig gestern bei einer ersten Führung durch das Souterrain.

Beim Abbiegen vom Korridor in den ersten Ausstellungsraum läuft dem Besucher ein Frösteln über die Rücken. "Für Kampfstoffverletzte" steht da links des Eingangs. "16 Betten, Notabort" heißt es an der nächsten Tür. So präsent wie hier ist der 2. Weltkrieg an kaum einem anderen Ort in Stendal.

Und die Spuren der bedeutenden sowjetischen Garnisonsstadt Stendal sind nirgendwo anders besser dokumentiert als in diesem Keller. Henkeltöpfchen aus Blech, Gasmasken, Fotos vom Soldatenalltag, Uniformen, ein Helm, ein Kohlenkarren, Wandzeitungen in russischer Sprache, ins Deutsche übersetzt... - alles, was bei den Sanierungsarbeiten an Zeugnissen noch auffindbar war, ist hier in Vitrinen und an den Wänden zusammengetragen. Eine Karte gibt einen Überblick über die zahlreichen Garnisonsstandorte der Roten Armee in der Stadt - von der Puschkin-Kaserne im Westen, heute Berufsschulzentrum, über Albrecht der Bär in der Mitte bis zum Alten Lager im Nordosten, wo heute BIC und Sparkasse residieren. "Militärstädtchen an der Otto-Krause-Straße" nannten die Russen ihr eingemauertes Kasernenviertel, das heute Hochschule ist und zu dem damals auch konfiszierte Teile des Wohngebiets der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft an der Elisabethstraße gehörten.

In anderen Räumen lässt sich das Werden und Wachsen des Hochschulstandorts nacherleben. Beschrieben und dokumentiert sind die zahlreichen, tief ins städtische Leben wirkenden Projekte der Schule vom Flechtwerk Demenz bis zum Angstfrei-Festival, die weit verzweigten internationalen Beziehungen der Hochschule, und natürlich der lange und steinige Weg hin zum heutigen Campus mit seinen sanierten historischen und seinen neuen Gebäuden.

Blickfang eines Ausstellungsraums ist ein großes, von Ex-Student Stefan König rührend naiv nachgebautes Modell des heutigen Hochschulkomplexes. "... den Kopf nehm\' ich mit, mein Herz lass ich hier!", hat er handschriftlich auf einem Zettel hinterlassen.

Das Hochschulmuseum ist nur zu Führungen geöffnet. Anmeldungen im Sekretariat unter Telefon (03931) 21874825.