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Grundschulen Vorfreude mit großem Aber

Vielen Grundschulen steht der Übergang in den eingeschränkten Normalbetrieb bevor. Doch dieser birgt noch viele Tücken.

Von David Boos 05.06.2020, 23:01

Stendal l Freitagmittag an der Stendaler Ganztagsschule. Kindergelächter hallt durch die Gänge, manche Kinder spielen Ball am Gang, andere befinden sich in ihren Aufenthaltsräumen und verbringen dort spielerisch ihre Pause. Alles mutet beinahe normal an, wären da nicht diese Masken. Und: Es sind bemerkenswert wenig Kinder zu sehen, denn noch besucht maximal die Hälfte aller Kinder die Schule. Ab nächstem Montag jedoch ist es allen Grundschulen Sachsen-Anhalts wieder gestattet, zum sogenannten „eingeschränkten Normalbetrieb“ überzugehen. So herrscht in vielen Grundschulen momentan die Ruhe vor dem Sturm. Und in manchen Fällen wird sie sogar noch ein wenig länger andauern.

„Wir werden erst am 15. Juni zum eingeschränkten Normalbetrieb übergehen“, erzählt Petra Richter, Schulleiterin der Ganztagsschule Stendal. Diese Entscheidung fiel „in Abstimmung mit dem schulfachlichen Referenten“. Denn wenngleich von Normalbetrieb die Rede ist, so kann von Normalität aufgrund der Einschränkungen und Abstandsregeln keine Rede sein.

„Solange sich die Kinder auf dem Flur befinden, sind Abstände nicht einzuhalten“, sagt die Schulleiterin. Darum herrsche auf den Fluren auch eine Maskenpflicht, an die sich die Kinder auch vorbildlich halten. In den Klassenzimmern dürfen die Mädchen und Jungen die Masken absetzen, dafür gilt auf den Schulhöfen dann wiederum die Abstandspflicht. Zur Zeit besuchen nur die 4. Klassen täglich den Unterricht, die anderen Jahrgänge kommen gestaffelt für jeweils zwei Tage pro Woche zur Schule. Zusätzlich befinden sich im Schnitt 25 bis 30 Kinder in der Notbetreuung, die Höchstzahl der zu betreuenden Kinder lag bei 48.

Während die Einhaltung der Abstandsregeln zu allen Zeiten kaum möglich ist, bemüht sich die Schulleitung dennoch ,so wenig Kontakte wie möglich außerhalb der Gruppen zuzulassen. Darum befinden sich die Schüler einer Klasse weitestgehend in einem Raum, und die Pausen und Essenszeiten sind gestaffelt, um ein Zusammentreffen zwischen den einzelnen Gruppen zu vermeiden.

Dabei sind die Abstandsregeln für viele Kinder nur schwer nachvollziehbar. Petra Richter berichtet von Kindern, die sich fragten, „warum sie nicht mit ihren Freunden spielen dürfen“, mit denen sie dann am Nachmittag bei sich zu Hause doch auch spielen würden. „Die Kinder probieren es zu verstehen, aber es ist schwer“, so die Schulleiterin. „Je jünger, desto schwerer.“

Sobald der eingeschränkte Normalbetrieb einsetzt, herrscht auch an der Ganztagsschule wieder Präsenzunterricht, wenngleich mit Einschränkungen. Die Kinder werden dann von ihrem Klassenlehrer unterrichtet, dabei stehen die grundlegenden Fächer wie Mathematik und Deutsch auf dem Programm. Fachunterrichte wie Musik, Gestalten oder Sport werden „nach Möglichkeit“ stattfinden, allerdings nur, wenn die Umstände es zulassen. Zusätzliche Engpässe in der Betreuung entstehen durch das Fehlen gefährdeter Lehrer, die nur eingeschränkt arbeiten können und dabei den Kontakt mit Schülern weitestgehend vermeiden sollen. Die betroffenen Lehrer erarbeiten in der Zwischenzeit Förderpläne.

An der Comenius-Grundschule in Tangermünde haben zwar auch ein halbes Dutzend Lehrer das Recht, auf Abstand zu gehen, doch alle zeigen Präsenz. Sehr zur Freude von Schulleiter Thorsten Herms, denn ohne die Unterstützung seiner Lehrerschaft wären die letzten Wochen und Monate nicht zu bewältigen gewesen.

„Die Schule war ja nie zu“, sagt Herms, „seit dem 15. März gab es immer Notbetreuung“. Seit einiger Zeit findet der Unterricht in drei Gruppen gestaffelt statt, die endgültige Zusammenführung und damit der Übergang in den eingeschränkten Normalbetrieb, erfolgt am 10. Juni.

Ähnlich wie an der Stendaler Ganztagsgrundschule wird auch in Tangermünde mit den Herausforderungen der Abstandsregelungen, Pausen- und Essensgestaltung umgegangen. Eine zusätzliche Herausforderung stellt sich aber durch die Anfrage einer Mutter, um von der Präsenzpflicht abzusehen. Während Thorsten Herms diesen Einzelfall in Absprache mit seinem Vorgesetzten löste, prognostiziert er dennoch, dass der Gesetzgeber sich schon bald mit dieser Frage befassen muss, denn: „So wird die Schulpflicht ausgehebelt.“ Schlussendlich plädiert der Schulleiter zum Neustart für eine Lösung wie in Sachsen, wo alle Lehrer getestet wurden: „Alles andere ist ein Experiment. Und wir sind Teil des Experiments.“