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Haushalt Selbstverwaltung steht auf dem Spiel

Bürgermeister Andreas Brohm spricht über das Tangerhütter Konsolidierungskonzept. Am Mittwoch soll es beschlossen werden.

Von Rudi-Michael Wienecke 09.11.2016, 10:14

Tangerhütte l Behält die Einheitsgemeinde Tangerhütte ihre Selbständigkeit oder droht die Zwangsverwaltung? Darüber entscheiden am heutigen Mittwochabend die Stadträte, wenn sie über das Haushaltskonsolidierungskonzept (HKK) abstimmen. Vor der Sitzung sprach Rudi-Michael Wienecke für die Volksstimme mit Einheitsgemeinde-Bürgermeister Andreas Brohm über das Papier.

Herr Brohm, die Verwaltung legt dem Stadtrat heute das zweite HKK vor. Was ist mit dem ersten schief gelaufen?

Andreas Brohm: Die Kommunalaufsicht kritisierte, dass unsere vorgeschlagenen Maßnahmen für Einsparungen nicht ausreichend waren, und hatte die Vermutung geäußert, dass ein ausgeglichener Haushalt schon früher möglich ist als von uns prognostiziert. Sie hatte weiter darauf hingewiesen, dass die Sätze bei Grund- und Gewerbesteuer zum Teil erheblich unter dem Landesdurchschnitt liegen, und uns angehalten, diese anzupassen.

Mit der jetzigen Version sind aber viele Stadträte nicht einverstanden...

Die Verwaltung musste das zweite Papier in sehr kurzer Zeit erstellen. Es ist aber in zwei Klausuren mit Stadträten und Ortsbürgermeistern darüber gesprochen worden.

Einverstanden sind einige Stadträte aber immer noch nicht. Es gibt den konkreten Vorwurf, dass der Bürger mehr belastet werden soll. Auf der anderen Seite seien aber bei den Kosten für die Verwaltung, speziell den Personalkosten, keine Einsparungen zu erkennen.

Das stimmt so nicht. Im Anhang zum HKK ist zu sehen, dass in den kommenden acht Jahren 33 der kommunalen Beschäftigten altersbedingt ausscheiden werden. Durch Anpassungen der Strukturen und Umorganisation kann die Hälfte der Stellen wegfallen. Daraus wird sich eine Einsparung beim Personal ergeben. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommunalaufsicht uns mitgeteilt hat, dass unsere Kernverwaltung im kreisweiten Vergleich die kleinste ist.

Der Rat fordert aber schnelle Personaleinsparungen.

Als Kommune können wir nicht von heute auf morgen Leute entlassen oder herunterstufen. Das muss alles juristisch sauber sein.

Die Bürger werden aber mehr belastet...

Für eine bessere Finanzausstattung müssen wir unsere Ausgaben verringern und unsere Einnahmen erhöhen. Dazu gehört auch, maßvoll Steuern zu erhöhen. Wir liegen bei unseren Steuersätzen derzeit unter dem Landesdurchschnitt.

Ihnen wird vorgeworfen, Einrichtungen schließen zu wollen, beispielsweise die Schulküche in Lüderitz oder den Wildpark in Weißewarte.

Beides ist nicht richtig! Die Schulküche ist eine kostendeckende Einrichtung, insofern ist das Ziel, dass die Einnahmen die Kosten decken. Der Wildpark erstellt gerade ein Zukunftskonzept im Rahmen eines Leader-Projektes. Ziel ist es, dass der Wildpark auch unabhängig von der Haushaltslage der Kommune sicher bestehen kann.

Was steht dann im HKK?

Das Konzept soll zeigen, wie die Einrichtungen kostendeckend zu betreiben sind. Dazu müssen wir einige Dinge anders organisieren. Vielleich macht sich in dem einen oder anderen Fall ein Trägerschaftswechsel schon positiv bemerkbar. Unser Ziel ist es, das zu erhalten, was da ist.

Konkrete Vorstellungen haben Sie aber auch keine...

Ich habe viele Ideen. Mit einem minimierten Angebot und einer anderen Form der Förderung könnten wir beispielsweise den Schülerklub in Tangerhütte erhalten. Allein das würde eine Einsparung von mehr als 30.000 Euro pro Jahr bringen.

Dann gibt es aber noch die vielen anderen Fälle, wie die Freibäder. Was ist mit denen?

Darüber müssen wir künftig gemeinsam Punkt für Punkt diskutieren und nach Lösungen suchen. Das HKK ist ein atmendes Dokument. Es ist veränderbar. Wir müssen damit der Kommunalaufsicht unseren Willen zeigen, dass wir in Zukunft einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen wollen und können.

Was passiert, wenn das Konsolidierungskonzept heute Abend abgelehnt wird?

Ohne HKK hat die Einheitsgemeinde keinen Haushalt. Unser Kassenkredit ist derzeit ausgereizt und wir können ohne Haushalt keine dringend benötigten zusätzlichen Finanzmittel bekommen. Wir sollten gemeinsam den Aufsichtsbehörden deutlich machen, dass die Einheitsgemeinde in der Lage ist, für sich selbst Entscheidungen zu treffen.

Tangerhütte ist bisher ohne beschlossenen Haushalt klargekommen. Was drängt also nun?

Im September hatten wir unser Kreditlimit erreicht. Die Kassen sind leer. Uns droht die Zahlungsunfähigkeit. Das hat schon jetzt Auswirkungen. Wir wollten zum Beispiel das Dach der Lüderitzer Grundschule sanieren. Ohne Geld auf dem Konto können wir das nun nicht. Auch die sogenannten Verfügungsmittel für die Ortschaften können wir nicht auszahlen. Darunter leidet die Vereinstätigkeit und ich fürchte, dass viele unserer Ehrenamtlichen dann die Lust verlieren.

Warum nimmt die Stadt nicht einfach einen neuen Kredit auf?

Das würde sie. Aber ohne einen beschlossenen Haushalt, ohne ein HKK, sind wir nicht berechtigt, einen zusätzlichen Kredit aufzunehmen. Ich sage noch mal: Uns droht die Handlungsunfähigkeit. Unsere Selbstverwaltung steht auf dem Spiel und ich appelliere an die Stadträte, für die Zukunft unserer Gemeinde zu stimmen.