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Heerener Straße Baustelle wird zum riskanten Labyrinth

Fehlende Wegführung: Die Kreisel-Baustelle Heerener Straße in Stendal ist für Radfahrer und Fußgänger ein Wagnis

Von Nora Knappe 28.09.2017, 01:01

Stendal l Für die einen, sagen wir: Autofahrer, sind Großbaustellen ein Ärgernis. Weitläufige Umleitungen bedeuten längere Wege zur Arbeit, zum Termin oder nach Haus, außerdem wahrscheinlich Stau und nervige Warterei an Ampeln. Für die anderen, sagen wir: Fußgänger und Radfahrer, sind Großbaustellen mitunter ein gefährliches, unfreiwillig eingegangenes Abenteuer. Und eine Herausforderung für Orientierungssinn, Schuhwerk und Fahrradrobustheit.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist die derzeitige Baustelle rund um den künftigen Kreisverkehr Heerener Straße/Hoher Weg. Während für Autofahrer wie üblich schwarz-gelbe Schilder die Umleitungswege weisen, landen Fußgänger und Radfahrer hier mitten in der Baustelle.

Man braucht sich nur ein paar Minuten am Baustellenrand nahe der Waschanlage zu postieren und wird Zeuge, wie Radfahrer, die Richtung Lüderitzer/Magdeburger Straße wollen, erst einmal ratlos stehen bleiben. „Wo soll man denn da lang?“, sprach eine Fahrradfahrerin (oder vielmehr Fahrradschieberin) denn auch halb hilfesuchend, halb verärgert aus.

Während manche schon beherzt über Erd- und Steinreich schieben, tragen oder sogar fahrend holpern, bleiben andere also noch zagend stehen: Soll man, kann man, darf man denn hier einfach so an den riesigen Baufahrzeugen vorbei, mitten über die Baustelle? Soll man, kann man, darf man offenbar – denn die vorhandene wie auch die fehlende Beschilderung lassen nur diesen Schluss zu.

Bei der praktischen Probe an Ort und Stelle Ende voriger Woche war es zudem noch so, dass mitten in der Baustelle, im künftigen Kreiselzentrum, ein Fußgänger-Schild – gerahmt von rot-weißen Warnbaken – wie ein Leuchtturm im tosenden Meer Rettung verspricht. Doch wer sich da erst einmal hinverirrt hat, gerät eher noch mehr ins Trudeln. Denn der kurze, Sicherheit suggerierende Notweg endet jäh an der Asphalt-Unterbau-Abbruchkante.

Ob es den Bauarbeitern immer gelingt, so geduldig und hilfsbereit wie am Beispieltag zu sein, ob sie überhaupt die Zeit haben, neben ihrer eigentlichen Arbeit auch noch als Lotse zu fungieren, ist fraglich.

Für Werner Hartig, Mitglied im sachsen-anhaltischen Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), steht diese Baustelle exem­plarisch für einen chronischen Missstand: die Führung des Radverkehrs an Baustellen. Er und seine Mitstreiter haben dabei etwas zu monieren, was aus Autofahrer- und Planersicht womöglich als Lappalie gesehen wird: „Es gibt keine vernünftige Wegführung. Dem motorisierten Verkehr wird eine Umleitung angeboten, Radfahrer und Fußgänger müssen zusehen, wie sie klarkommen. Der Radverkehr, der ja rein rechtlich auf die Straße gehört, wird unterbrochen, und für Fußgänger ist das hier auch eine Ohrfeige.“

Denn mal abgesehen von den normalen Fahrrädern gebe es eben auch Lastenräder oder Räder mit Kinderanhänger – wie die bequem, geschweige denn sicher über die Baustelle gelangen sollen, ist ihm ein Rätsel. Und abgesehen vom normalen Fußgänger gebe es eben auch solche mit Rollator, Kinderwagen oder Rollstuhl – nahezu unmöglich, solche Baustellen damit ohne Hilfe zu passieren.

Hinzu kommt, aus Sicht des Fahrradlobbyisten, eine irreführende und widersprüchliche Beschilderung. Erstens: „Das Schild Sackgasse müsste hier ersetzt werden durch die Variante mit hinzugefügten Rad- und Fußgängersymbolen, damit die wissen, okay, für mich geht es hier weiter.“

Zweitens: „Der provisorische Weg ist laut Schild nur für Fußgänger. Dennoch steht darunter der Zusatz ‚Radfahrer absteigen‘, das ist doch ein Widerspruch.“ Und nebenbei bemerkt Hartig provokant: „Das Schild ‚Radfahrer absteigen‘ gibt es in der Straßenverkehrsordnung gar nicht. Genausowenig wie ein Schild ‚Auto schieben‘.“

Die Kennzeichnung von Baustellenspuren durch gelbe Linien auch für Radfahrer hielte Hartig für eine machbare Lösung. Ebenso, mit Grundstückseigentümern über eine zeitweilige Wegführung über ihr Gelände zu verhandeln.

„Die beschriebene Situation betrachten wir als sehr fahrradunfreundlich“, formuliert es Hartig nicht nur im Volksstimme-Gespräch, sondern auch in einem Schreiben an den Stendaler Ausschuss für Stadtentwicklung. „Sie entspricht leider der typischen Wahrnehmung der Stendaler Radfahrer: Im jüngsten ADFC-Fahrradklima-Test wurde die Radverkehrsführung bei Baustellen am häufigsten mit der Schulnote 6 bewertet.“

Der ADFC sehe in dieser deutlich schlechten Benotung „einen Auftrag an die Politik, den Radverkehr in der Hansestadt Stendal neu zu bewerten und deutliche Verbesserungen herbeizuführen“.