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Hochwasserschutz Elbe in Stendal braucht mehr Raum

Die Elbe muss mehr Raum bekommen, um sich ausdehnen zu können. Dazu startete ein Dialog mit Bürgern.

Von Egmar Gebert 15.08.2018, 18:51

Stendal l „Wir wollen den Menschen erklären, was wir vorhaben.“ So formulierte Sachsen-Anhhalts Umwelt-, Landwirtschafts- und Energieministerin Claudia Dalbert (Grüne), warum sie am Dienstagabend gemeinsam mit Burghard Henning, dem Direktor des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), und weiteren Experten nach Tangermünde gekommen war.

Es ging um die Tatsache, dass es künftig nicht mehr genügen wird, Deiche zu sanieren und zu erhöhen, um die Menschen und das Land vor Hochwasser zu schützen, und um die daraus resultierende Schlussfolgerung, dass man den Flüssen wieder mehr Raum geben, Überflutungs- sprich Retentionsflächen schaffen muss. Ein Thema, das fürs LHW und Dalberts Ministerium nach der Hochwasser- katastrophe 2013 ganz nach oben auf der Agenda rückte.

Heraus kam ein Programm unter dem Titel „Mehr Raum für unsere Flüsse“, das nach Informationsveranstaltungen in Magdeburg und Dessau-Rosslau nun in Tangermünde vorgestellt werden sollte – der Auftakt für einen Dialog mit den Bürgern, so Dalbert, zum möglichst frühesten Zeitpunkt, und um sie bei der „Weiterentwicklung des Programms“ mit einzubeziehen.

So spickte die Ministerin ihre das Programm begründenden Worte mit Fakten wie folgenden: In den vergangenen Jahrhunderten sei die Elbe durch Begradigungen um 80 Kilometer kürzer geworden. Flächen, um sich darauf auszubreiten, wurden ihr zudem durch Eindeichung genommen. Flächen, von denen das Programm „Mehr Raum für unsere Flüsse“ der Elbe ganze fünf Prozent zurückgeben könne. Dass jene fünf Prozent 12.500 Hektar groß sein werden, macht die Dimensionen vergangenen menschlichen Eingreifens allein an diesem Fluss deutlich.

An Rande bemerkt: Bei jenen 12.500 Hektar sind die rund 2800 Hektar Flächen mitgerechnet, die bereits jetzt mit der Umsetzung des „Hochwasserschutzkonzepts 2020“ der Elbe zurückgegeben werden. Beispiel Deichrückverlegung Fischbeck oder Sandau Nord.Sowohl LHW-Direktor Henning als auch Ministerin Dalbert gingen auf Nachfrage der interessierten Zuhörerschaft aus Bürgermeistern, Vertretern öffentlicher Verwaltungen, Landwirten und deren Interessenvertretern im gut besuchten Konferenzsaal davon aus, dass dieses Konzept – derzeit zu 60 Prozent realisiert – bis 2020 abgeschlossen sein wird.

Beim Programm „Mehr Raum für unsere Flüsse“, das am Dienstagabend im Mittelpunkt stand, geht es um andere Dimensionen, auch zeitliche: „Das umzusetzen, wird ein Generationenprojekt. Ich gehe davon aus, dass die ersten Sachen in zehn und die letzten in 25 Jahren umgesetzt sind“, sagte Dalbert. Dass sich dabei auch Konfliktpotenzial ergeben werde, sei klar, denn: „Hochwasserschutz kostet Land, und das muss irgendwo herkommen. Aber was wäre denn die Alternative?“ Konfliktfelder könnten sich aber auch an anderen Stellen auftun, zum Beispiel dann, wenn – wie von einigen im Publikum bemängelt – Naturschutzinteressen über die Interessen der Landwirte gestellt werden.

Claudia Dalbert versprach, dass auch das im Dialog mit den Landwirten besprochen und geklärt werde.

Zum derzeitigen Vorbereitungsstand des Programms „Mehr Raum für unsere Flüsse“ ging LHW-Direktor Burghard Henning ins Detail. Eine Liste mit landesweit 27 potenziellen Standorten für Hochwasserpolder (8) und Deichrückverlegungen (19) ist erarbeitet. Für den Landkreis Stendal sind davon fünf Deichrückverlegungen (Wahrenberg, Werben, Sandau, Klietz, Schönfeld) und zwei Polder (Klietz-Schönfeld und Tangermündung) aufgelistet. Oberste Priorität sollen die Projekte haben, die nach bisherigem Erkenntnisstand das geringste Konfliktpotenzial aufweisen. Der Polder Klietz-Schönfeld mit 1050 Hektar Retentionsfläche gehört dazu, der Polder in der Tangerniederung (4700 Hektar) nicht. Allerdings sei damit noch keine Aussage getroffen, wann welche Maßnahme aus dem Programm in welcher Art realisiert wird. Claudia Dalbert ans Publikum gewandt: „Wir werden das alles mit den Leuten vor Ort, mit Ihnen hier, weiterentwickeln.Und versuchen, Konflikte mit Ihnen gemeinsam im Vorfeld von Planungen auszuräumen.“

Einige zeichnen sich bereits ab: So fordern die Land- wirte, Ackerland als solches zu erhalten, auch wenn es nach Deichrückverlegungen zu Deichvorland wird. Denn wird daraus Grünland, verliert es an Wert, was wiederum auf Entschädigungen wirkt, die nach Polderflutungen an die Landwirte gezahlt werden müssen.

Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes, Landwirt André Stallbaum: „Wir werden uns in diesen Dialog begeben. Ich freue mich drauf und hoffe, dass wir faire Lösungen finden.“ Dazu sind zumindest die an diesem ersten Info-Abend (dem weitere folgen sollen) Anwesenden bereit: Dialog auf Augenhöhe und ohne dass Landwirte in ihrer Existenz bedroht werden.