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Innovation Bauer bringt die Milch zum Kunden

In Stendal können Kunden jetzt in einem Supermarkt tagesfrische Milch kaufen. Ein Bauer hat Geld investiert und einen Automaten aufgestellt.

Von Rudi-Michael Wienecke 10.01.2017, 00:01

Gohre/Stendal l Die Landwirtin Marion Wollert erklärte und Reiner Haseloff folgte: 80 Cent in den Flaschenautomaten, die Flasche in den Milchautomaten, 1,30 Euro rein, Knöpfchen drücken und schon gibt es einen Liter tagesfrische Vollmilch, mit all dem natürlichen Rahm und Geschmack, eben so, wie von der Kuh produziert. Medienwirksam stießen Politiker, Edeka-Vertreter und Bauern miteinander an, wischten sich den Milchbart, lächelten in die Kameras und die erste Edeka-Milchtankstelle im nördlichen Sachsen-Anhalt war, nachdem sie bereits vor Weihnachten in Betrieb ging, offiziell übergeben.

Dieses Angebot der GbR Güldenpfennig/Wollert hat aber einen ernsten Hintergrund, es ist die Flucht nach vorn. Die dritte und längste Milchkrise innerhalb von fünf Jahren zwang Landwirte zum Handeln. Allein in Sachsen-Anhalt trennten sich mehr als 60 Betriebe von der Milcherzeugung. Andere wiederum begannen die preislich attraktivere Bio-Schiene zu bedienen. Der dritte Weg scheint die Direktvermarktung zu sein. Allein drei Hof-Milchtankstellen entstanden in den vergangenen Monaten im Landkreis Stendal.

Der Familienbetrieb aus Gohre geht noch einen Schritt weiter. Die Kunden kommen nicht zum Bauern, sondern der Bauer verkauft seine Milch dort wo die Kunden sind. Mit ihrer Idee dieser regionalen Vermarktung rannte die GbR bei der Edeka offene Türen ein. Auch die Handelskette wirbt mit Regionalität und mit Milchtankstellen vor den eigenen Einkaufszentren wurden gute Erfahrungen gemacht. So betreibt der Bauer Karsten Scheffler aus dem Mannsfelder Land bereits seit Sommer zwei Milchtankstellen vor Edeka-Filialen in Halle. Die Gohrer Landwirte wollen es ebenfalls nicht bei dem einen Automaten in der Heerener Straße belassen. Noch in diesem Monat soll vor Edeka in Tangermünde ein zweiter installiert werden, ein dritter wird vor der Verkaufsstelle in Stendal Nord aufgebaut. Weitere sind in Planung.

„Die Investition muss sich lohnen“, begründete Betriebsleiter Rainer Wollert die Expansion. Ein mittlerer sechstelliger Betrag musste schließlich erst in Produktion und Vertrieb investiert werden, ehe der erste Liter Milch direkt verkauft werden konnte. Mit den Arbeiten wurden, wo möglich, Firmen aus der Region beauftragt. „Wenn wir den Slogan ,Altmark - Grüne Wiese mit Zukunft‘ mit Leben erfüllen wollen, müssen wir uns auf unsere Stärken besinnen und miteinander einfach einen guten Job machen“, begründet Wollert, warum er auf altmärkische Handwerker setzte.

Neben dem Stallgebäude entstand innerhalb eines Vierteljahres eine kleine Molkerei mit Hygieneschleuse. Dort wird die frisch gemolkene Milch schonend pasteurisiert, erneut auf sechs Grad heruntergekühlt, in je 200 Liter fassende Verkaufstanks gefüllt und mit einem Kühlfahrzeug täglich frisch ausgeliefert. Die Kühlkette wird bis zum Verbraucher nicht unterbrochen.

Der Mehraufwand für die Wollerts ist enorm. Nach dem Melken muss die Milch aufbereitet und ausgeliefert werden, Anlagen und Tanks sind penibel zu reinigen. Zusätzlich weihten Familienmitglieder mehrere Tage lang die Verbraucher in die Geheimnisse des Milchzapfens ein und am Flaschenautomaten mussten einige Kinderkrankheiten behoben werden. Den Winter über will Rainer Wollert diesen Mehraufwand mit dem bisherigen Personal stemmen, beginnt im Frühjahr die Arbeit auf dem Feld, soll ein zusätzlicher Mitarbeiter eingestellt werden.

Marion Wollert ist mit der derzeit verkauften Milchmenge nicht unzufrieden und aus Hallenser Erfahrung heraus prognostiziert Edeka-Geschäftsführer Hans-Ulrich Schlender Steigerungen. Nach seinen Angaben leidet das klassische Milchgeschäft in der Filiale übrigens nicht unter dem neuen Angebot. „Die Leute trinken wirklich mehr Milch.“