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Integration Deutsch lernt sich am schnellsten im Beruf

Minda Industrieanlagen in Tangermünde bot dem Syrer Noureeddin Fattouh ein Praktikum an. Eine Woche lang lernte er den Betrieb kennen.

Von Anke Hoffmeister 09.04.2017, 07:00

Tangermünde l „Hallo Noureeddin, schön dich zu sehen. Du siehst sehr entspannt und zufrieden aus“, sagt Christel Stoldt und reicht dem jungen Mann, der auf sie zukommt, die Hand. Die 66-Jährige empfängt den jungen Syrer mit einem strahlenden Lächeln. Auch er freut sich, seine Praktikumsbetreuerin zu sehen. Stoldt kennt den jungen Mann seit etlichen Monaten. Er und seine Frau besuchen in Stendal den Jugendintegrationskurs der Inlingua-Sprachschule. Zu diesem Kurs gehört auch ein Betriebspraktikum.

Da der junge Mann seit Mai vergangenen Jahres in Tangermünde lebt, bot es sich für ihn an, auch in dieser Stadt ein Praktikum zu absolvieren. „Es ist der erste Flüchtling überhaupt, der bei uns mitarbeitet“, erzählt Minda-Geschäftsführer August Wilhelm Henke. Damit ist das mittelständische Unternehmen eines von insgesamt 14 im Landkreis, die sich dazu bereit erklärt haben, Migranten einen beruflichen Einblick zu ermöglichen.

Noureeddin Fattouh ist seit einem Jahr und zwei Monaten in Deutschland. Mit seiner Frau, die in wenigen Wochen das erste Kind zur Welt bringen wird, besuchte er in den vergangenen Monaten die Stendaler Schule. Gemeinsam erlernte das Paar die deutsche Sprache und hat bereits erste Zertifikate in der Tasche.

Holger Fricke, Mitarbeiter bei Minda und Praktikumsbetreuer für Noureeddin Fattouh, berichtet: „Die ersten Tage haben wir gedacht, er versteht uns gar nicht. Doch er versteht uns sehr gut. Außerdem hat er sehr schnell verstanden, was zu tun ist“, lobt er den Eifer des jungen Syrers.

Eine Woche lange ging es für Noureeddin Fattouh jeden Morgen mit dem Fahrrad zur Arbeit. 6.30 Uhr war er wie alle anderen da, hat in der Logistik das Hochregallager im Handumdrehen verstanden, sowohl elektrische als auch mechanische Bauteile je nach Auftrag zusammengestellt. Die Bedienung des automatisierten Arbeitsplatzes ist für ihn kein Problem. „Ein Praktikant erfordert immer mehr Zeit. Doch er kam im rechten Moment. Wir brauchten hier Hilfe, weil es viel zu tun gibt“, erklärt Holger Fricke und ist zufrieden mit dem, was der junge Mann erlernt und geleistet hat.

Während Noureeddin Fattouh auf alle Fragen deutsch antworten kann, gesteht Holger Fricke, kein einziges arabisches Wort erlernt zu haben. „Ich weiß gar nicht, ob meine Zunge das mitmachen würde“, fragt er sich und lacht. Doch Noureeddin Fattouh macht den Test und verrät ihm, was auf arabisch „Geh!“ heißt.

Neben dem Einblick in den deutschen Arbeitsalltag bekam der Syrer wie jeder andere Teilnehmer eines solchen Praktikums im Jugendintegrationskurs die Gelegenheit, Deutsch in der Praxis anzuwenden. Nicht nur während der Arbeitszeit, auch in den Pausen sprachen die Minda-Mitarbeiter mit ihm. „Wir wissen zum Beispiel, dass er kein Schweinfleisch isst und zum Frühstück Weißbrot mit Nutella mag“, erzählt Holger Fricke.Und Noureeddin Fattouh nickt zustimmend.

Christel Stoldt nutzt den Besuch, um den Minda-Geschäftsführer nach Ausbildungsmöglichkeiten zu fragen: „Natürlich stehen wir auch Migranten offen gegenüber“, betont Henke. Die Ausbildungsplätze 2017 seien allerdings fast alle vergeben. Neben dem dualen Studium in Richtung Maschinenbau und Elektrotechnik bildet Minda Elektroniker, Mechatroniker, Produktdesigner, Systemplaner, Zerspanungsmechaniker, Industriemechaniker, Metallbauer, Industriekauffrau und Fachinformatiker aus.