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Integration Masud darf bleiben und Koch lernen

Der in Stendal lebende Kurde Masud Yussef hat seit dieser Woche eine Duldung bis Juli 2020. Er macht in Tangermünde eine Ausbildung.

Von Anke Hoffmeister 07.10.2017, 10:51

Tangermünde l Diesen Erfolg hat der 23-jährige Kurde vielen Menschen aus der Altmark zu verdanken. Ohne ihr Engagement würde er vielleicht schon wieder nach Syrien abgeschoben sein.

Vor mehr als vier Jahren hatte sich Masud zusammen mit seinem Bruder und dessen Frau sowie zwei Kindern auf die Flucht aus Syrien begeben. Als Kurden hatten sie bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 in ihrem Land nur wenige Rechte. Eine Schule hatte Masud nie besucht, weil er es nicht durfte. Erst mit dem Krieg gab es Pässe. Die Männer sollten „als Kanonenfutter“, so berichtet Masud, in den Krieg ziehen.

Seit mehr als drei Jahren lebt Masud inzwischen in Stendal. Auch die Familie seines Bruders hat hier Sicherheit gefunden, auch eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Dem 23-Jährigen fehlt diese bis heute. Warum? Das weiß Barbara Miesterfeldt. Seit mehr als 25 Jahren leitet sie in Stendal den sozialen Verein „Maranata“, betreut und begleitet viele Flüchtlinge. Masud ist einer von ihnen. Vertreten durch einen anderen Anwalt als sein Bruder wartet der junge Mann bis heute auf seine Anerkennung.

In den Augen von Barbara Miesterfeldt ist Masud allerdings ein ganz besonderer Flüchtling. „Wenn man jemanden, der sich so wunderbar integriert hat, abschieben möchte, dann tut mir das weh“, sagte sie jetzt in einem Gespräch. „Es ist absolut nicht richtig, wie in seinem Fall bisher entschieden wurde.“ Gemeinsam mit Katharina Feuerherd vom „Maranata“-Vorstand war sie ins Hotel Schloss Tangermünde gekommen. Felix Niecke von der Geschäftsführung des Hauses hatte sie eingeladen.

Warum: Es ging um Masud Yussef. Seit November 2016 absolvierte er im Hotel ein Praktikum. In der Küche des Hauses fand er seinen Platz. Hier fühlte er sich wohl. Hier wurde er zu einer Bereicherung – für das Küchenteam und auch alle anderen im Schloss. Daraus wuchs die Idee: Masud beginnt eine Ausbildung zum Koch.

Nicht nur von Integration reden, sie auch leben und umsetzen, das wollte Felix Niecke mit ihm realisieren. Die Weichen wurden gestellt. Masud, der die deutsche Sprache nach intensivem Unterricht in den vergangenen Jahren gut gelernt hat, begann am 1. August seine Ausbildung zum Koch. Doch bereits wenige Tage später flatterte ihm ein Schreiben in die Hände. Sein Asylantrag wurde von einem Gericht abgelehnt, die Ausbildungsduldung damit entzogen, er für ausreisepflichtig erklärt.

„So kann man mit einem Menschen nicht umgehen“, ist Barbara Miesterfeldt empört. „Nach einem Leben im Krieg braucht gerade so ein junger Mensch Stabilität. Es ist schon pervers“, bringt es Felix Niecke auf den Punkt. „Mal wird ihm Hoffnung gegeben, dann wird sie ihm wieder genommen. Das ist weder human, noch ist es wirtschaftlich.“

Denn aus Sicht eines Ausbildungsbetriebes sei dieser Fall auch ein gutes Beispiel dafür, wie Integration überhaupt nicht funktioniert. „Wir in unserer Branche brauchen Fachkräfte“, macht Niecke deutlich. Und wenn junge Menschen dann tatsächlich lernen wollen, würden ihnen und den Ausbildungsbetrieben so viele Hürden in den Weg gestellt, dass eine Kapitulation vorprogrammiert ist. Im Fall von Masud Yussef führten jedoch alle Beteiligten den Kampf bis zum erfolgreichen Ende. „Das kann aber nicht jeder“, macht Felix Niecke deutlich. Wie viele Stunden er gemeinsam mit dem jungen Kurden oder auch ohne ihn in Gesprächen und Telefonaten mit Behörden um dessen Zukunft gekämpft hat, kann er nicht beziffern. Und er weiß auch, dass bei so vielen Hürden Integration und Fachkräftenachwuchs in Deutschland keine Zukunft haben.

Das Schlimmste: „Niemand fühlte sich wirklich für seinen Fall zuständig“, schildert Niecke seine Erlebnisse. „Da können wir auch nichts machen“, sei eine immer wiederkehrende Behördenantwort gewesen, ohne andere, entscheidungsfähige Behörden, Namen oder Telefonnummern zu nennen.

Während des Gesprächs vor einer Woche brachte es Barbara Miesterfeldt auf den Punkt: „Der Junge ist am Ende. Wir müssen Angst haben um ihn.“ Auch die große moralische Unterstützung durch seinen Bruder und dessen Familie schien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu helfen. Masud, der in Stendal vielen Flüchtlingen und auch Deutschen bekannt ist, stand wieder einmal vor der möglichen Abschiebung.

„Er und sein Bruder wurden von der Ausländerbehörde immer wieder angefordert, um als Übersetzer auszuhelfen. Es sind zwei ganz wundervolle Männer“, sagt Barbara Miesterfeldt. Vor diesem Hintergrund sei es „einfach nur schäbig, Masud abschieben zu wollen“.

Menschen wie sie, die für Integration unterwegs sind, seien in solchen Situationen sprachlos und machtlos. Die „Maranata“-Chefin weiß: „Es gibt viele, die nicht wollen. Doch dazu gehört Masud auf gar keinen Fall.“ Ein weiteres Beispiel dafür sind nicht nur Sprache und Praktikum. Auch im „Club der Experten“ im Stendaler Theater war der junge Kurde aktiv. Dessen Leiterin Dorothea Lübbe initiierte jetzt eine Petition, um die Abschiebung von Masud zu verhindern.

Welche der vielen Engagements letztendlich zum Erfolg führten, ist unbekannt. Wichtig: Am Donnerstag hatte Masud Yussef einen Termin beim Ausländeramt. Aus Angst vor schlimmen Nachrichten nahm er diesen zusammen mit Felix Niecke wahr. Das Ergebnis: Masud darf seine Lehre fortsetzen. Bis Sommer 2020 ist sein Aufenthalt in Deutschland gesichert. Zeit, um für die Anerkennung zu kämpfen.