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Interview Neuer Landrat will jetzt liefern

Patrick Puhlmann (36) tritt sein Amt als Landrat im Landkreis Stendal an. Dass es wohl nicht leicht wird, sagt er im Interview.

Von Bernd-Volker.Brahms 18.03.2020, 23:01

Bei Ihnen stehen jetzt viele Antrittsbesuche an, eigentlich mit viel Händeschütteln verbunden. Verzichten Sie angesichts von Corona darauf?
Ich habe es mir jetzt angewöhnt, auch wenn es schwer fällt, es nicht zu tun. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Von der Wirkung bin ich überzeugt. Nehmen Sie den infizierten Arzt in Zerbst, der auch nach mehreren Tagen nachweislich niemanden angesteckt hat. Das zeigt, dass konsequente Kontaktvermeidung und Handreinigung wirken. Wenn wir das alle durchhalten, werden wir die Ausbreitung mit diesen einfachen Maßnahmen stark verlangsamen und damit am Ende viele schwere Erkrankungen verhindern.

Haben Sie Angst, was da nun auf uns mit der Krankheit zukommt?
Angst bringt uns ja nicht weiter. Konsequent handeln und Ruhe bewahren auch wenn sich die Ereignisse momentan überschlagen. Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Ärzten gesprochen und inzwischen zeichnet sich ab, dass konsequente Maßnahmen die Virusverbreitung nachhaltig verlangsamen. Das ist momentan das Ziel.

 

Ihr Vorgänger Carsten Wulfänger ist 2013 mit dem Elbhochwasser eingestiegen. Corona dürfte vermutlich doch eine große Herausforderung für Sie werden. Ihr Einstieg könnte einfacher sein, oder?
Gut, das kann man sich nicht aussuchen. Corona wird eine große Baustelle vom ersten Tag an sein. Und trotzdem würde ich das jetzt nicht miteinander vergleichen wollen. Es gibt eine vorhandene Expertise im Gesundheitsamt. Es gibt Pandemiepläne und ich stehe seit Tagen regelmäßig im Austausch mit dem Gesundheitsministerium. Beim Hochwasser 2013 war das anders, beim Deichbruch musste man ohne Blaupause agieren. Das war eine andere Situation.

 

Am Wahlabend hat Ihnen Amtsvorgänger Wulfänger von der CDU fair zum Wahlsieg gratuliert, noch bevor die letzten Ergebnisse vorlagen. Ihr Vorsprung war riesig. Haben Sie danach noch wieder mit Herrn Wulfänger gesprochen?
Ja, natürlich im Zuge des Kreistages und der Kreisausschüsse. Da haben wir ganz souverän weiter miteinander geredet. Es gab auf meine Bitte hin auch ein persönliches Gespräch. In manchen Fällen ist er auch meiner Bitte nachgekommen, mich bei Themen einzubeziehen, die in meine Amtszeit reinreichen. So konnte ich vereinzelt an Terminen zur drohenden Schließung des Havelberger Krankenhauses und auch an Terminen zum Thema Sparkasse teilnehmen.  (Da geht es ja um Fusionspläne.) Bei einigen anderen Themen musste ich etwas mehr für meine Einbeziehung tun, wie ja auch in der Volksstimme zu lesen war. Letzten Endes hat es in den letzten Tagen dann aber doch so funktioniert, dass ich gerade bei den drängenden Themen nicht erst fünf Ordner lesen muss, um loslegen zu können.

 

Sie haben bei der Stichwahl mit 70 Prozent der Stimmen gewonnen, immerhin gegen den Amtsinhaber. Wäre Ihnen im Nachhinein ein knapperes Ergebnis lieber gewesen, die Erwartungen sind jetzt offensichtlich ziemlich hoch?
Natürlich bin ich froh über das hohe Ergebnis. Das macht für mich klar, dass es da auch einen Auftrag gibt. Natürlich sind die Erwartungen hoch. Natürlich weiß ich auch, dass es schwer wird, das zu erfüllen, was dort hingelegt wurde. Aber anderseits ist es auch mein klares Ziel, was voranzutreiben. Ob das in allen Sachen gelingt, wird man sehen. Es ist aber auch der Auftrag, nicht wieder sofort Halt zu machen. Es gibt mit den vielen Fraktionen eine interessante Konstellation im Kreistag. Auch Fraktionen, die mich nicht im Wahlkampf unterstützt haben, haben signalisiert, dass sie mit mir zusammenarbeiten möchten. Das versteht sich aber irgendwie auch von selbst. Ich freue mich auf den konstruktiven Austausch.

 

Sie haben bisher als Teamleiter in einer Behinderteneinrichtung gearbeitet, haben also keine Verwaltungserfahrung. Für jemanden, der jetzt eine Behörde mit 600 Mitarbeitern leiten will, ist das schon eine hohe Hürde, oder?
Ich glaube, das geht fast jedem so, der jemals Landrat geworden ist. Ich sehe es nicht als ein Problem, sondern als einen Punkt, der wichtig ist und der auch Wähler überzeugt hat, dass ich nicht derjenige bin, der aus der Verwaltung kommt. Es kann an der Spitze nicht verkehrt sein, um eine positive Reibung zu erzeugen. Nichtsdestotrotz ist es jetzt eine Frage, ein Team zusammenzustellen, was auch die Verwaltungserfahrung abdeckt. Es ist nichts gewonnen, wenn wir in gewissen Dingen voranschreiten und in zwei Jahren alles zurücknehmen müssen, weil es handwerklich nicht richtig gemacht wurde. Da gab es ja gerade in den letzten Jahren auch immer wieder Fälle von Dingen, die jetzt wieder zurückgenommen werden müssen oder was sich handwerklich nicht durchgesetzt hat.

 

Was meinen Sie da zum Beispiel?
Das Thema Abfall ist ja jetzt offensichtlich so etwas, was nicht gut gelaufen ist, ohne da jetzt Schuldzuweisungen zu treffen. Es gibt neue Geschichten wie den öffentlichen Nahverkehr. Wenn da Entscheidungen getroffen werden, dann möchte ich, dass das auch Bestand hat. Das will sicher jeder immer. Aber natürlich brauche ich auch da die Verwaltungserfahrung. Ob das nun im Team mit den beiden Beigeordneten ist oder auch die Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Man darf nicht beratungsresistent sein, wenn man nicht selbst aus der Verwaltung kommt. Trotzdem darf man seinen eigenen Kopf haben.

 

Das eine ist die Verwaltung, das andere der Kreistag. Es ist eine schwierige Konstellation, Sie haben als SPD fünf von 48 Sitzen. Wie wollen Sie da Mehrheiten zusammenbekommen?
Das wird immer themenbezogen funktionieren. Und es wird auch mal nicht funktionieren. Es wird von mir den einen oder anderen schmerzlichen Kompromiss verlangen. Genauso wird es aber auch umgekehrt sein. Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass es nicht in einen lähmenden Streit ausartet. Wie gesagt, es gibt Signale, auch von anderen Fraktionen, dass es dazu nicht kommen wird. Beim Thema schmerzliche Kompromisse muss ich sagen, dass ich es immer noch für richtig halte, die Zahl der beiden Beigeordneten zu reduzieren. Ich muss aber erkennen, dass es momentan offensichtlich nicht durchsetzbar ist. Es würde im Kreistag so viel Porzellan zerschlagen, dass wir das in einer Amtsperiode  nicht mehr repariert bekommen. Ich muss das dieses Mal akzeptieren. Auf der anderen Seite kann es aber auch nicht bedeuten, dass ich mich erpressbar mache, nur um Streit zu vermeiden. Ich habe eine klare Position zu den Beigeordneten. Es gibt gerade durch das hohe Wahlergebnis den Auftrag, in Politik und Verwaltung eine neue Dynamik zu bringen. Das war die Hauptbotschaft.

 

Sie haben das mit den Beigeordneten ja gleich im ersten Kreistag nach der Wahl versucht, diese zu reduzieren. Es kam ja schon eine frostige Stimmung  zum Tragen. Der obligatorische Blumenstrauß wurde Ihnen ja von der Vorsitzenden fast hingeschleudert …
Na ja, geschleudert jetzt nicht. Wie in Thüringen war es nicht.

 

Ok, da wurde der vor die Füße geworfen. Richtig. Aber sagen wir es mal so, eine gewisse Frustration war schon zu spüren und vielleicht dann auch ausschlaggebend dafür, dass man ihr Ansinnen, noch einmal über die Verwaltungsstruktur nachzudenken, dann doch mehrheitlich abgeschmettert hat.
Der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. Den Zeitpunkt habe ich mir aber nicht ausgedacht, der stand an diesem Tag auf der Tagesordnung. Es gab im Vorfeld das Ansinnen, die Beigeordnetenstellen gar nicht erst auszuschreiben. Beide Amtsinhaber sollten ohne Alternative zur Wahl gestellt werden. Dagegen habe ich mich frühzeitig eingesetzt, weil ich der Ansicht bin, dass wir für so bedeutende öffentliche Stellen die Auswahl aus allen potentiellen Bewerbern haben sollten. Im Übrigen muss sich jeder Bürgermeister und auch der Landrat auch alle sieben Jahre einer solchen Konkurrenz vor der Wahl stellen. Warum sollte das für Beigeordnete anders sein? Da ist mir der Kreistag dann am Ende auch gefolgt, indem wir das Thema von der Tagesordnung genommen haben. Ich bin froh, dass es so gekommen ist. Jetzthaben wir eine große Zahl an Bewerbern.

 

Es wird schon entscheidend sein, wer bei Ihnen in der zweiten Reihe die Verwaltung mit leitet. Das haben Sie nicht richtig in der Hand. Das ist für Sie jetzt sicherlich auch nicht befriedigend, oder?
Ich halte es für eine sehr zentrale Frage. Nicht so sehr im Hinblick, ob ich da jetzt Freunde finde. Sondern, dass wir da an einem Strang ziehen können. Und da geht es nicht um politische Farbenspiele. Ich habe klar die Position, es soll eine Neubesetzung geben. Ich sehe den Wählerauftrag nicht so, dass gesagt wurde, wir wollen einen neuen Landrat und darunter soll bitte alles so bleiben wie es war. Sondern ich bin dafür, dort neu zu besetzen. Wir haben jetzt  einen großen Bewerberpool. Da bitte ich jetzt alle Kreistagsmitglieder, offen heranzugehen und sich die Kandidaten anzuschauen und dann zu sehen, wer davon geeignet ist. Aus verschiedenen Gründen sehe ich, dass wir auch dort eine neue Spitze benötigen. Wir kommen sonst inhaltlich nicht voran. Es gibt Themen, die ich schon im Wahlkampf aufgemacht habe. Das ist der Nahverkehr, das ist die Digitalisierung, das ist die Wirtschaftsförderung. Da braucht es neue Impulse. Neue Bereiche brauchen Impulse, aber auch alte Bereiche. Wie beim Thema Abfallentsorgung, wie beim Rettungsdienst. Da zeichnet sich momentan keine Lösung ab. Ohne den vorhandenen Personen etwas vorzuwerfen, es sind dort neue Impulse erforderlich.

 

Als Sie im Dezember die Wahl gewonnen haben, da hat Ihnen Bodo Ramelow von der Linkspartei gratuliert, der Sie ja auch schon bei einer Veranstaltung im Wahlkampf unterstützt hat. Gab es auch Gratulanten aus der SPD-Spitze?
Ja, da gab es die gerade frisch gewählte Bundesvorsitzende Saskia Esken. Wer sonst alles, das habe ich jetzt ganz ehrlich nicht mehr im Überblick. Da ging über Twitter und Facebook sehr viel ein. Es gab eine große Welle. Am Wahlabend war auch die Sozial- und Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne selbst dabei.

 

In der Dimension war es ja schon ein besonderer Wahlsieg, zumal die SPD in letzter Zeit ja nicht so viel zu feiern hatte.
Man rechnet damit nicht. Ich kann nur sagen, ich tendiere nicht zu großer Aufregung. Auch im Wahlkampf war das nicht. Wenn man vor 300 Leuten im Landratsamt spricht, wie einmal bei der Kandidatenvorstellung, da ist man natürlich angespannt. Aber eher eine positive Anspannung. Der Wahlabend ist aber schon aufregend. Da erfährt man dann, ob das alles, was man die vorhergehenden sechs Monate gemacht und erzählt hat, irgendwas gebracht hat und irgendjemanden interessiert hat. Bei der Stichwahl war die Aufregung noch umso mehr, weil man nicht weiß, ob sich das bestätigt, was in der Hauptwahl gewesen ist. Dort war mein Vorsprung ja schon recht deutlich. Das ist jetzt aber auch das Pfund gegenüber dem Kreistag. Ich habe das klare Signal, dass ich zusammen mit dem Kreistag sagen soll, wo es im Landkreis langgeht.

 

Ein halbes Jahr vor der Wahl sind Sie quasi unbekannt gewesen im Landkreis. Sie sind zwar in den Kreistag gewählt worden, aber nicht in den Stadtrat von Tangermünde. Von daher war es ja schon auch mutig, überhaupt als Landratskandidat anzutreten.
Es ist die Frage, ob man es als mutig bezeichnen soll. Es war kein Selbstläufer. Ich wurde gefragt und ich habe nicht gleich Nein geschrien. Und dann habe ich mir überlegt, was kann jetzt im schlimmsten Fall passieren. Man bekommt ein richtig schlechtes Ergebnis. Das ist dann peinlich, aber mein Gott, man muss da auch den Mut aufbringen. Oder man bekommt ein ordentliches Ergebnis, dann ist alles gut. Am längsten haben meine Frau und ich aber darüber gesprochen, was ist, wenn es klappt. Das sind ja einschneidende Lebensveränderungen. Nur mit ihrer Unterstützung habe ich es gemacht. Eine Spaßkandidatur war es nicht. Dass es so funktioniert und das es so gut aufgehen wird mit meiner Kampagne, die sehr intensiv war, hat mich sehr gefreut. Ich glaube aber auch, dass es nicht nur an meiner Person gelegen hat. Es war im richtigen Moment. Hier im Landkreis ist Frust gewesen über viele Dinge. Es gab den Wunsch nach einer Zukunftsperspektive.

 

Inwiefern hat der Wahlskandal von 2014 eine Rolle gespielt. Unlängst hat ja selbst CDU-Landeschef Stahlknecht die Abwahl von Herrn Wulfänger auf das Agieren der CDU im Landkreis zurückgeführt.
Es gab im vergangenen Jahr ja zwei Wahlen, bei denen die CDU deutlich abgestraft wurde. Erst die Kommunalwahl, wo die CDU 8 von 20 Sitzen im Kreistag verloren hat. Bestimmte Personen sind dort nicht wiedergewählt worden. Der Wahlskandal steht immer noch im Raum. Der Umgang damit hat einen großen Einfluss gehabt. Aber: Der Wahlskandal selbst ist nur ein Faktor. Es gibt vor allem den Wunsch nach neuer Dynamik in Politik und Verwaltung. Ich habe es nicht als reine Protestwahl empfunden. Das waren nicht die Rückmeldungen auf der Straße. Das sind jetzt alles Vorschusslorbeeren, ich muss jetzt natürlich liefern.

 

Sie laufen gerne mit hochgekrempelten Hemdsärmeln herum. Was wollen Sie als Landrat als erstes anfassen.
Das mit den Hemdsärmeln kommt aus meiner vorherigen Tätigkeit. Da ist es einfach praktisch, man fühlt sich freier im Gestikulieren. Ich habe nichts dagegen, wenn man es symbolisch sehen will. Es geht um verschiedene kurzfristige Sachen. Da sind die Sachen die auf der Tagesordnung stehen. Im nächsten Kreistag geht es um Abfallgebühren. Es geht um den Rettungsdienst. Es geht natürlich um das Krankenhaus in Havelberg, das auf der Kippe steht. Corona wird zum großen Thema werden. Ich will auch schnell einen Informationsfluss herstellen zu den verschiedenen Bereichen wie Landwirtschaft, Schulen usw. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern. Das ist ganz zentral, um im Landkreis was voranzubringen. Ich bin schon seit Ende Januar unterwegs, spreche mit den verschiedenen Leuten, arbeite nahezu Vollzeit. Ich hatte über hundert Termine.

 

Ist die Erwartungshaltung nicht sehr hoch, nach dem Motto: Der Landrat wird das schon regeln. Aber jedes Problem werden Sie nicht lösen können.
Nein. Die Termine in den vergangenen anderthalb Monaten verstehe ich auch eher als Vorbereitung. Ich finde es gehört sich, dass man sich schon im Vorfeld reinarbeitet in das, womit man sich dann täglich beschäftigt. Ich habe nicht jahrzehntelange Erfahrung im Katastrophenschutz, also gehört es sich, dass man da guckt. Da kann man nicht reinwachsen. Im Zweifelsfall muss es losgehen. Ich möchte informiert starten. Mittelfristig möchte ich das Umweltamt wieder mit einem Leiter ausstatten, das wird bisher ja vom 1. Beigeordneten mitgemacht. Dort geht es nicht nur um das Thema Abfall. Wir werden da einiges abzuarbeiten haben. Auch in Richtung Landwirtschaft. Sie soll Unterstützung vom Landkreis bekommen, wie sie es braucht. Ich möchte auch einen Zeitplan aufstellen, wie wir den öffentlichen Nahverkehr im Landkreis in den nächsten Jahren umbauen wollen.

 

Sie sprechen da schon so einen Punkt an. Der Landkreis Stendal ist ja flächenmäßig einer der größten in Deutschland, allein das ist ja eine Herausforderung, die möglicherweise Innovation möglich macht, weil sie durch den demografischen Wandel gefordert ist.
Ich maße mir nicht an, selbst für alles gute Idee zu haben, aber ich will gute Ideen voranbringen. Wir sind als Landkreis ein Vorreiter bei der Demografie, ob wir das wollen oder nicht. Was die Bevölkerungsentwicklung angeht, was ländlichen und dünnbesiedelten Raum angeht. Ich erzähle jedem in den Hochschulen, wenn ihr was machen wollt zu dem Thema, dann kommt in die Altmark, kommt nach Stendal. Hier haben wir diese Bedingungen, und es kann uns nur helfen, wenn Ideen hier herkommen. Wir profitieren vielleicht von Ideen, die woanders schon existieren. Aber es müssen auch hier welche entwickelt werden.

 

Oft ist es noch so, dass Stendal als Rote Laterne wahrgenommen wird. Sei es bei Kinderarmut, aber auch bei den Wirtschaftsprognosen.
Kinderarmut ist tatsächlich ein Thema, das eine Rolle spielen muss. Hat es auch schon. Ich nehme mir lieber die Perspektive nach vorn vor. Mein Wahlkampf zielte nicht darauf ab, zu sagen, der Landkreis nimmt überall die Rote Laterne ein. Diese Kampagne haben andere Mitkandidaten stärker fokussiert.

 

Es gibt aber ja durchaus Statistiken, die das stützen. Ob man das möchte oder nicht.
Die Vision muss natürlich sein, das wir da rauskommen. Da gibt es das Thema Digitalisierung. Aber nicht nur. Wir können hier nicht warten, bis einer das Licht ausmacht. Wir müssen Lösungen finden, dann kommen wir da auch raus. Ob wir nun die höchste Kaufkraft in fünf Jahren haben werden oder in zehn Jahren, das weiß ich nicht. Wenn man dauerhaft auf verschiedenen Feldern hinten ist, dann ist das schon auch symptomatisch. Und das wollen wir ändern.

 

Noch ein anderes Thema. Die Landesaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wird gebaut. Das Thema kann auch noch hochkochen.
Was heißt hochkochen. Es ist dauerhaft ein Thema.

 

Jetzt sind noch keine Menschen da, aber irgendwann werden dort bis zu 1000 Menschen untergebracht. Die werden auch sichtbar sein. Damit muss man umgehen.
Für eine zentrale Aufnahmestelle werde ich mich nicht verkämpfen. Wir werden damit umgehen. Es ist ja im Landtag und auch im Kreistag ein immer wieder kontrovers diskutiertes Thema. Im Übrigen nicht nur von der AfD. Wenn man so viele Menschen an einem Ort versammelt, dann wird es fast zwangsläufig auch Probleme geben. Das ist einfach so, wenn man viele Menschen auf engem Raum zusammenbringt. Deshalb sehe ich das Konzept einer langfristigen Unterbringung in einer Erstaufnahmestelle kritisch. Die geregelte Flüchtlingsaufnahme steht für mich aber im Grundsatz nicht in Frage. Wir müssen dafür sorgen, dass das Land uns hier nicht was hinstellt und uns als Landkreis die damit verbundenen Herausforderungen überlässt, ohne die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Das muss ganz klar die Richtung sein.

 

Wobei das jetzt nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Auch nicht vom Landrat. 

 

Es kann aber auch passieren, dass die AfD, die ja auch mit acht Sitzen im Kreistag vertreten ist, sich in der Weise auch profilieren will. Wie wird generell Ihre Gangart gegenüber der AfD sein?
Ich biete Gespräche mit allen Fraktionen an. Das ist auch schon geschehen. Es muss sichergestellt sein, dass die Fraktionen von der Verwaltung gleich behandelt werden. Trotzdem ist es nicht so, dass ich meine Meinung anpassen muss, was bestimmte Positionen der AfD betrifft. Wenn die AfD mich einlädt in ihre Fraktion, dann gehe ich da auch hin und dann haben die auch das Recht, mir Fragen zu stellen und darauf Antworten zu bekommen. Sie können auch Kritik äußern, klar. Das wir hinterher plötzlich in allem übereinstimmen, halte ich vorsichtig ausgedrückt trotzdem für unwahrscheinlich.

 

Wenn man sich die ganze Thüringen-Situation angeguckt hat, und  wenn es dann CDU-Standpunkte gibt Wie: wir können hier weder mit der AfD noch mit den Linken irgendwas machen, das funktioniert auf so kommunaler Ebene nicht, oder? Man kann ja jetzt schlecht sagen, überall wo die AfD zustimmt, ist die Sache verbrannt.
In Thüringen ging es jetzt nicht um irgendeine Entscheidung, sondern um die Wahl des Ministerpräsidenten. Es war eben kein Sachthema, wo die AfD mal mitgestimmt hat. Natürlich ist es das Ziel, Mehrheiten jenseits der AfD zu finden. Wenn es jetzt wichtige Themen gibt und die AfD stimmt mit, dann werden wir das Thema nicht deshalb  wegschmeißen. Dann würden wir uns ja auch nur treiben lassen. Ich will nicht der Getriebene von solchen Prozessen sein. Acht Sitze der AfD sind viel, aber es ist bei weitem keine Mehrheit im Kreistag. Diese Nichtmehrheit sollte nicht bestimmend über Themen sein.

 

Sie sind Fußball-Fan, schwärmen für Borussia Dortmund. Die Leidenschaft werden Sie jetzt etwas hinten anstellen müssen, zeitmäßig, oder?
Fußball kann man auf verschiedene Arten verfolgen, im Radio im Auto oder auf dem Handy. Radio funktioniert sogar bei den Funklöchern in der Altmark.

 

Sie werden sich nicht ausklinken?
Man kann ja immer nachgucken. Aber ich werde jetzt nicht bei Sitzungen das Tablet unter dem Tisch laufen lassen. Ich möchte mental präsent sein.

 

Landrat sein, ist ein harter Job. Es gibt viele Abend- und Wochenendtermine. Was hat eigentlich Ihre Frau dazu gesagt, als es geklappt hat?
Wir hatten das ja im Vorhinein geklärt, was passiert, wenn es was wird. Wir sind uns einig, so wie es ist, ist es gut. Wir haben uns mehr als anderthalb Wochen Zeit genommen, um das zu entscheiden. Von daher gab es jetzt auch kein Zurück mehr. Meine Frau war auch oft dabei im Wahlkampf. Das ist natürlich auf Dauer nicht mit ihrem Beruf zu vereinbaren. 

 

Sie unterstützt Sie im Hintergrund.
Ja, das halte ich auch für wichtig.