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Jagdjahr Muffelwild fällt Wolf zum Opfer

Kreisjägermeister Günter Scheffler analysiert das vergangene Jagdjahr im Landkreis Stendal. Kopfschmerzen bereitet weiterhin der Wolf.

Von Egmar Gebert 13.09.2017, 01:01

Stendal l Wenn Jäger Bilanz ziehen, geht es nicht nur, aber zum großen Teil auch um Zahlen – Abschusszahlen. Die sind für den Außenstehenden ziemlich beeindruckend. Verständlich, denn den wenigsten ist bewusst, dass es im Landkreis Stendal 225.000 Hektar bejagbare Flächen gibt, um die sich 1200 Jäger kümmern, sprich auf diesen Flächen den Wildbestand zu regulieren versuchen.

Kreisjägermeister Günter Scheffler nennt für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis zum 31. März 2017 – das ist der Zeitraum des vergangenen Jagdjahres – zum Beispiel 704 erlegte Rothirsche, weidmännisch gesagt: 704 Stücke Rotwild, denn erlegt werden sowohl männliche als auch weibliche Tiere. Noch etwas sollte man zu diesen Zahlen wissen: Nicht jedes in dieser „Strecke“ (erlegte Tiere) aufgeführte Stück Wild wurde von Jägern erlegt. Enthalten sind auch in der Natur verendetes und bei Unfällen getötetes Wild. Letzteres fällt beim Rotwild mit acht Stücken kaum ins Gewicht.

Beim Rehwild sieht die Sache schon anders aus. Von den 7336 erlegten Tieren verendeten 856 als Fall- oder Unfallwild. Rehe sind die häufigste an Wildunfällen beteiligte Tierart, weiß der Kreisjägermeister: „Rehwild ist bei uns flächendeckend vorhanden. Es lebt im Wald ebenso wie auf der freien Fläche und wechselt zwischen beiden.“ Diese Wildwechsel, also die von den Tieren seit Generationen benutzten Wege, werden häufig von Straßen zerschnitten. An diesen Wildwechseln gerät das Tier mit dem Menschen in Konflikt, mit dem motorisierten, zumeist im Auto sitzenden Menschen. An den kann auch der Kreisjägermeister nur appellieren, sich nicht zuletzt in seinem eigenen Interesse entsprechend zu verhalten. Wo ein Schild am Straßenrand auf Wildwechsel hinweist, sei es ratsam, den Fuß vom Gas zu nehmen. „Leider hält sich längst nicht jeder dran“, ist Schefflers Erfahrung.

Ungeachtet dessen: 7336 erlegte Rehe sind eine enorme Zahl, eine, die um 1000 erlegte Stücke Rehwild höher liegt als im Jagdjahr 2015/2016, für das 6610 Stücke erlegtes Rehwild zu Buche standen. Auch das kann Scheffler begründen. „Im Hochwasser 2013 sind sehr viele Tiere umgekommen. Der Bestand an Rehen brach regelrecht ein, so dass wir uns in den folgenden Jahren beim Abschuss vor allem weiblicher Tiere sehr zurückgehalten haben, damit sich der Bestand wieder erholen kann. Das hat er getan. Jetzt haben wir in etwa wieder die Abschusszahlen erreicht, die wir vor dem verheerenden Hochwasser 2013 hatten.“ Auch, dass diese Zahl um 1000 Stücke über dem Abschussplan lag, sei legitim. Denn bei den weiblichen Tieren, den Ricken, dürfe ein Jäger 50 Prozent mehr erlegen, als im Plan stehen.

Apropos Abschussplan. Der wird für jedes Jagdjahr neu aufgestellt und basiert auf den Bestandsschätzungen der Jäger. Sie, so Scheffler, könnten am besten einschätzen, wie groß die Wildbestände in ihren Jagdrevieren sind und wieweit regulierend eingegriffen werden muss.

Da gibt es allerdings je nach Wildtierart gravierende Unterschiede, wie die nächsten beiden von Günter Scheffler aufgeführten Beispiel zeigen: Während sich Schwarzwild aufgrund des üppigen Nahrungsangebotes unter anderem durch riesige Raps-, Getreide- und Maisanbauflächen enorm entwickelt (zur Strecke gebracht wurden übers Jagdjahr 3177 Wildschweine), sieht es beim Muffelwild, der einzigen heimische Wildschafart, ganz anders aus. Die Zahlen gehen drastisch zurück. Erlegt werden konnten im vergangenen Jagdjahr nur 68 Tiere. „Der Bestand an Muffelwild ist quasi dabei, zu erlöschen.“

Das Problem hier ist eindeutig der Wolf. „Muffelwild ist leichte Beute für ihn“, sagt der Kreisjägermeister und gibt sich keinen Illusionen hin: „Wie lange es bei uns noch Muffelwild geben wird, hängt davon ab, wie sich die Wolfspopulation in der Altmark entwickeln wird.“ Laut Landesamt für Umweltschutz (Wolfsmonitoring 2015/2016) haben sich in Sachsen-Anhalt zwischenzeitlich teils Landesgrenzen übergreifend zehn Wolfsrudel und drei Wolfspaare angesiedelt. „Nach unserer Einschätzung sind diese Zahlen zu niedrig“, reagiert Kreisjägermeister Scheffler. „Der Wolfsbestand wächst von Jahr zu Jahr. Wenn der Entwicklung der Bestände keine Grenze gesetzt wird und es kein Muffelwild mehr gibt, das der Wolf jagen kann, konzentriert er sich aufs Reh- und aufs Rotwild. Das jagt er schon jetzt. Allein im Altkreis Havelberg haben wir im vergangenen Jagdjahr mindestens zehn Rotwildrisse vom Wolf gefunden. Und das sind Zufallsfunde“, redet Scheffler Klartext.

Er tut das ganz ruhig, ohne Polemik, denn: „Wir sind nicht gegen den Wolf. Er ist da, und er wird bleiben. Selbst wenn er ins Jagdrecht aufgenommen würde. Aber der Bestand an Wölfen muss begrenzt werden.“ Und noch etwas macht dem Kreisjägermeister Kopfzerbrechen: Der Wolf habe keine Scheu mehr vor den Menschen, komme bis in deren Siedlungen. „Das darf nicht sein“, sagt Scheffler unmissverständlich. „Dort hat der Wolf nichts verloren. Er muss wieder lernen, wo seine Grenzen sind.“ Hier seien dringend wirksame Maßnahmen zu treffen, für die dann von der Politik ebenso dringend wie schnell grünes Licht zu geben sei.