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Jugendwerkdorf Licht aus in Billberge

Ende 2019 schließt das Christliche Jugendwerkdorf in Billberge. Die restlichen Bereiche sollen stadtnah im Landkreis angesiedelt werden.

Von Anke Hoffmeister 10.04.2019, 00:00

Billberge l Junge Menschen und Familien, denen das Christliche Jugendwerkdorf (CJD) Sachsen-Anhalt bei der Bewältigung ihres Alltages hilft, werden künftig an anderen Standorten im Landkreis begleitet.

Das Präsidium des CJD hat beschlossen, die Angebote der Jugendhilfe sowie die begleitete Elternschaft aus Billberge an andere Standorte im Landkreis zu verlagern. Bis Ende 2019 sollen alle Angebote möglichst in einer städtischen Umgebung angesiedelt werden. „Billberge ist ein idyllischer Ort, fernab von Alltagstrubel und Stress“, beschreibt Andreas Demuth, Gesamtleiter des CJD Sachsen-Anhalt, den Standort Billberge. Fast 30 Jahre wurden hier junge Menschen auf ihren Weg ins eigenständige Leben begleitet. Damit soll nach dem Beschluss des Vorstands nun Schluss sein.

„Diese Mischung aus Abgeschiedenheit und vollkommener Reizarmut erschwert den jungen Menschen und Familien den Lernprozess, den es für eine selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Gestaltung des persönlichen Alltags braucht. Ein lebendiger Sozialraum gilt heute als Voraussetzung für eine gelingende Unterstützung junger Menschen und Familien.“ Mit diesen Argumenten begründet CJD-Gesamtleiter, Andreas Demuth, die Entscheidung.

Im Moment werde geprüft, welche Standorte für die einzelnen Einrichtungen in Betracht gezogen werden können. Dazu stehe das CJD im Austausch mit dem Landkreis. Bei allen Überlegungen stehe fest, dass die räumliche Veränderung keine Bedrohung der Arbeitsplätze nach sich ziehe. „Wir freuen uns, weiter Partner des Landkreises sein zu dürfen. Unsere Angebote werden wir umsiedeln und vor Ort gemeinsam mit den bestehenden Mitarbeitenden weiterentwickeln. Während es schwer war, fachlich qualifizierte Mitarbeitende nach Billberge zu holen und am Standort zu halten, können künftige Mitarbeitende auch von einer städtischen Arbeitsumgebung profitieren“, ist Demuth sicher.

Verschiedene Gründe, so berichtet er weiter, hätten zum Präsidiumsbeschluss geführt. „Eine zeitgemäße und hochqualifizierte Kinder-, Jugend- und Familienhilfe erfordert eine Infrastruktur, die es jungen Menschen und Familien ermöglicht, Stück für Stück Verantwortung zu erlernen. Man muss sich das so vorstellen: Selbständige Einkäufe, Arztbesuche oder eine aktive Freizeitgestaltung sind für die Menschen, die bei uns Hilfe suchen, zunächst große Heraus- forderungen. Diese alltäglichen Aufgaben sind von Billberge aus jedoch stets mit einem hohen logistischen Aufwand verbunden. Für junge Menschen liegen Familie und Gemeinwesen zu weit entfernt von der kleinen Ortschaft. Da sind die Möglichkeiten begrenzt, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen.“

Andreas Demuth macht deutlich, dass die Situation in Billberge nicht immer so war: „Wer Billberge kennt“, sagt er, „weiß, wie viel Leben hier einst herrschte. Junge Menschen haben hier soziale Kontakte geknüpft, die Anbindung an die umliegenden Orte war dadurch auch intensiver. Zu sehen, wie einsam es in den letzten Jahren in Billberge wurde, tat sehr weh.“ Ursächlich dafür sei die wachsende Ausbildungslandschaft, die eine überbetriebliche Lehre unattraktiv mache. Immer weniger Auszubildende seien folglich nach Billberge gekommen.

„Nachdem wir die berufliche Bildung in Billberge im vergangenen Jahr gänzlich eingestellt haben, herrschte zusätzlicher Leerstand in vielen Gebäuden“, so der Gesamtleiter. „Da uns der Standort am Herzen liegt, haben wir in den vergangenen Monaten alle Gebäude umfas- send auf ihren Nutzen für die verbliebenen Angebote geprüft – unabhängig vom Wissen um die schwache Infrastruktur. Doch auch dabei mussten wir feststellen, dass die meisten Gebäude nicht mehr den zeitgemäßen Standards für unsere Arbeit in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie der begleiteten Elternschaft entsprechen“, erklärt er.

Das Fazit: „Jetzt wird es Zeit, dass die kleine Ortschaft wieder eine Chance bekommt, mit ihrer Idylle zu punkten. Für mich bedeutet Verantwortung an dieser Stelle, dafür zu sorgen, das einzigartige Areal an der Elbe nicht verwaisen zu lassen, sondern einem neuen Eigentümer und vor allem einer neuen Aufgabe zuzuführen.“

Im Jahre 2016 feierte das CJD noch seinen 25. Geburtstag. In den nun fast drei Jahrzehnten wurden viele junge Menschen auf ihrem Weg in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben begleitet. Im vergangenen Sommer absolvierten die letzten Jugendlichen ihre Ausbildung in Billberge. Angebote im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie die begleitete Elternschaft sind hier noch zu finden.