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Kein Maßregel Notorischer Handtaschendieb wieder frei

Ein verurteilter Dieb aus Stendal verließ nach einem erneuten Prozess am Landgericht als freier Mann den Gerichtssaal.

Von Wolfgang Biermann 14.04.2017, 10:00

Stendal l Suchttherapie in einer Entziehungsanstalt oder geschlossene Psychiatrie? Um diese Frage ging es am Stendaler Landgericht für einen wegen vielfachen Diebstahls verurteilten Stendaler. Besser gesagt, um diesen Sachverhalt sollte es eigentlich gehen. Doch am Ende des zweitägigen Prozesses, der auf Antrag der Verteidigerin unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief, konnte der 33-Jährige das Gericht als freier Mann verlassen.

Mehrfach hatte die Volksstimme schon über ihn berichtet. Im Juli 2015 war er wegen 20-fachen Diebstahls vom Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er hatte den Leichtsinn Stendaler Frauen ausgenutzt und nicht gesicherte Handtaschen aus ihren Fahrradkörben gestohlen. Während der Fahrt, wobei er selbst ein Fahrrad benutzte. Im November 2015 wurde er schon wieder erwischt. 13-mal hatte er im Stadtgebiet die Scheiben parkender Autos eingeschlagen und daraus Geldbörsen oder technische Geräte gestohlen, die er verkaufte. Die Motivation war in beiden Diebesserien gleich: Der damals obdachlose Angeklagte brauchte Geld, um seinen Rauschgift- und Alkoholkonsum zu finanzieren.

Die 1. Große Strafkammer am Landgericht verurteilte ihn daraufhin im April 2016 zu 14 Monaten Gefängnis ohne Bewährung und ordnete die unbefristete Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie (Maßregel) an. Ein Gerichtspsychiater hatte neben dem Alkohol- und Rauschgiftmissbrauch auch eine psychische Erkrankung beim Angeklagten diagnostiziert, die er für therapierbar hielt.

Mit dem Gutachten in der Hinterhand beantragte die Verteidigerin erfolgreich eine Teilrevision des Landgerichtsurteils beim Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter hoben das Urteil hinsichtlich der Maßregel auf und verwiesen den Fall zurück ans Landgericht Stendal, an eine andere Strafkammer.

Im Prozess vor der 2. Großen Strafkammer gelang es der Verteidigerin, die Richter von der positiven Entwicklung des Angeklagten zu überzeugen. Der war laut Gerichtssprecher Michael Steenbuck im Maßregelvollzug Uchtspringe „erfolgreich antherapiert“ worden. Deshalb hätten die Richter am Ende des Prozesses „von der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel ganz abgesehen“. Begründung: „Die besondere Gefahr, die das Gesetz und hier ganz konkret auch der Bundesgerichtshof fordern, liegt nicht mehr vor.“

Er sei „einsichtig und therapiewillig“. Für die Anordnung der Maßregel „ist daher kein Raum“. Die Freiheitsstrafe sei zu zwei Dritteln verbüßt, der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt, erfuhr die Volksstimme auf Nachfrage von Verteidigerin Heidrun Ahlfeld. Der Angeklagte werde in Kürze im betreuten Wohnen im Harz untergebracht.