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Komiker Keine ist wie Lotte Püttelkow

Seit 16 Jahren schlüpft Torsten Ladwig aus Tangermünde in seine Paraderolle der "Tante Lotte". Mittlerweile sogar hauptberuflich.

Von Rudi-Michael Wienecke 15.09.2017, 03:00

Tangermünde l 40.000 bis 50.000 Kilometer reist „Lotte“, das humoristische Aushängeschild der Stadt Tangermünde, jedes Jahr durch Deutschland, trifft mit fein- und hintersinnigen, aber auch frivol-zweideutigen Monologen den Nerv des Publikums in Ost und West. Montag hatte „Lotte“ Geburtstag, „sie darf jetzt rauchen, wurde 16", so Torsten Ladwig lachend. Der heute 53-Jährige kann sich noch genau an die Geburt der „jungen Dame" erinnern. Kein Wunder: Er ist Hebamme, Vater und Mutter in einer Person.

„Lotte“ kam mit übergroßer Brille, Handtasche und einem gigantischen Busen hinter der geblümten Bluse zur Welt. Der erste Schrei blieb aus, statt dessen brillierte die „Neugeborene“ mit Witz und Spontanität. Statt des obligatorischen Klapses auf den Po gab es Applaus.

Das war am 11. September 2001. Hermann Brandt, Alterspräsident des Tangermünder Karnevalsvereins, feierte seinen 70. Geburtstag. „Und weil Hermann schöne Frauen mag“, tat Ladwig ihm den Gefallen. Die „Schwangerschaft“ dauerte nur zwei Stunden. Die brauchte er, um ein humorvolles Konzept zu Papier zu bringen. Schließlich wurde aus Torsten, der im Tangermünder Karneval bereits in die Rollen des „Kuddel“, „Lehrer Lempel“, „Heino“, „Udo Lindenberg“ und „Honecker“ schlüpfte, „Lotte“.

Dass er heute als Frau verkleidet sein Geld verdient, hatte der Ehemann und Vater zweier Kinder selbst nach „Lottes“ Geburt noch nicht gedacht. Aber wenige Tage nach Brandts Geburtstag klingelte das Telefon und „Lotte“ hatte ihren nächsten Auftritt in der roten Handtasche, die Karriere begann. „Heute bin ich so in dieser Rolle drin, dass ich manchmal selber überlegen muss, ob ich Männlein oder Weiblein bin“, schmunzelt Ladwig. Irgendwann reichte die Freizeit nicht mehr aus. Der gelernte Baufacharbeiter hängte 2006 seinen Job an den Nagel, widmete sich ganz seiner Rolle.

Die Schlagfertigkeit ist es, die „Lotte“ auszeichnet. Zwar haben ihre Geschichten einen roten Faden, zugeschnitten auf das jeweilige Publikum, aber wehe dem, der auffällt. Wer es beispielsweise wagt zur Toilette zu gehen, der wird Teil des Programms. Das schüttere Haar eines Herrn in ihrer Nähe bleibt nicht unkommentiert und auch Zwischenrufer bekommen ihre Antworten. „Lotte“ scheint auf Unverhofftes regelrecht zu warten, um spontan reagieren zu können. Nach einer kurzen „Zwerchfellerektion“ hat sie aber den Faden wieder. So wird jeder ihrer Auftritte zum Unikat.

Hinter dieser Spontanität steckt hartes Training, viel Kopfarbeit. „,Lotte“ bringt Situationen oder Personen mit Pointen in Verbindung“, verrät Ladwig. Fachliteratur für Komiker gebe es nämlich nur mit der Tagespresse. Das Leben – Beobachten, Hören, Abspeichern –, das sei die Schule des Comedian. Wer des Berufes wegen lustig ist, muss eben viel mit dem Kopf arbeiten.

„Lotte“ treibt ihre Scherze mit dem Publikum, „sie ist aber nicht beleidigend“, versichert Ladwig, dass sein „Kind“ sich nicht wie ein Elefant im Porzellanladen benimmt. Krankheiten und Gebrechen von anwesenden Personen sind beispielsweise Tabu-Themen. Jeder Auftritt werde im Vorfeld abgesprochen. „Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe, wie die Lokalität ist“, begründet Ladwig.

Als „Lotte“ ist Ladwig viel unterwegs, zwei bis drei Auftritte pro Tag sind keine Seltenheit. 45 Minuten bis zu einer Stunde unterhält er sein Publikum ununterbrochen, hat aber auch das Repertoire für dreistündige Auftritte auf Lager. Der Vorname seiner Mutter ist zum Markenzeichen für eine Mischung aus Comedy und Kabarett geworden. Kann „Lotte“ auch mal ernst sein? „Nein, ernst war mein Großvater – Ernst Ladwig", lächelt der Entertainer.