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Konzert-Lesung Ein Abend als politisches Statement

Ex-Intendant Alexander Netschajew und Nobody Knows texten und spielen in Stendal für Menschlichkeit

Von Bernd-Volker Brahms 03.12.2018, 00:01

Stendal l Das Motto des Abends hatte einige Doppeldeutigkeiten parat. So versprach die Tangermünder Folkband Nobody Knows „unerhörte Texte“ und der ehemalige Theaterintendant Alexander Netschajew wollte mit „ungehörten Texten“ aufwarten.

Der Theatermacher, der von 2012 bis zu diesem Sommer die Geschicke am Theater der Altmark leitete, stieg am Freitag dann im voll besetzten Großen Saal des Theaters in den Abend ein. Er sei unbelastet, da er nun keine Verantwortung mehr auf den Schultern verspüre, begrüßte er das Publikum. Allerdings sei er auf andere Weise belastet, da er an diesem Abend erstmals eigene Texte dem Publikum präsentieren wolle.

16 von 60 Kolumnen wolle er vortragen, sagte Netschajew. Texte, die er während seiner Intendantenzeit monatlich für die Volksstimme verfasst hatte. Kann das gut gehen, dachte sich vielleicht mancher Konzertbesucher: schwungvolle Folkmusik, die unterbrochen wird von nachdenklich machenden Texten eines Kunstverständigen. Er habe bereits bei seinem Abschiedsabend im Juni zwei Kolumnen vorgetragen, sagte Netschajew. Das habe ihn ermuntert nun auch einen ganzen Abend damit zu bestreiten. Außerdem war es der nunmehr fünfte gemeinsame Abend mit Nowboy Knows auf der Bühne. In den Vorjahren hatte Netschajew literarische Text vorgetragen.

Die Musiker und der Ex-Intendant wechselten sich bei ihren Darbietungen ab. Und sie agierten dabei nicht einfach nur nebeneinander, sondern Frontmann Max Heckel leitete jeweils geschickt über, was eben nur gelingen konnte, wenn Kolumnen und Texte irgendetwas gemeinsam hatten. So wie beim Einstieg. Während Netschajew davon berichtete, wie er vor sechs Jahren von Bayern nach Stendal kam und im Einwohnermeldeamt danach gefragt wurde, wie denn so etwas passieren könne.

Nowbody Knows schloss darauf mit dem Lied „Nummer zwei“ an, worin es um Heimatliebe und der Verbundenheit zu Tangermünde geht – auch wenn die Stadt nicht überall die Nummer eins ist.

Schon bei diesem ersten Song sprang der Funke zum Publikum über. Viele schwenkten zwei Finger und sangen Textzeilen mit.

Aber der Abend wurde auch zu einem politischen Statement. Netschajew blickte auf die Zeit zurück, als im Oktober 2015 erstmals „besorgte Bürger“ durch die Stadt zogen. Das Theater hielt dagegen, auch der damalige Intendant sprach auf einer Gegendemonstration. Die Musiker folgten mit dem „Bürgerlied“, das er als ein Plädoyer für Menschlichkeit verstanden wissen will, sagte Max Heckel. Er selbst und seine Familie hätten bereits Morddrohungen von „besorgten Bürgern“ erhalten. Er schäme sich nicht, wenn er sage, er sei links.

Nach ihrer CD „Camouflage“, die 2016 heraus kam, hätten sie sich als Band überlegen müssen, ob sie weiter nur Partymusik machen wollen, sagte Heckel. Dass sie sich anders entscheiden haben und auch politische Aussagen transportieren, zeigte der Abend im Theater der Altmark. Dass sie aber nicht nur politisch „unerhört“ agieren können, sondern auch in anderer Weise, zeigte das Lied „Wie Trauben“, bei dem die Schönheit von weiblichen Brüsten besungen wird.

Mehr als zweieinhalb Stunden dauerte das geballte Programm. Zur Pause kündigte Netschajew mit einem Augenzwinkern an, dass Fan-Artikel zur Band als Weihnachtsgeschenk erworben werden können. „Ich bin dann eher für Ostern zuständig“, sagte er und kündigte ein Buch mit seinen Kolumnen für das 1. Quartal 2019 an.

Nowbody Knows ist am 27. 12. (19.30 Uhr) im TdA zu erleben. Außerdem gibt es noch drei Weihnachtskonzerte (20.-22. 12, jeweils 19 Uhr) in der Katharinenkirche.