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Kunst Der Mann, der Hitler übermalte

Der Maler Erwin Hahs schuf 1944 in Stendal sein bedeutendstes Werk. Eine Sonderausstellung zeichnet sein Leben nach.

Von Nora Knappe 04.03.2020, 00:01

Stendal l Welch grausamer Zynismus: Ein bekennender „Hasser der Nazis“ soll ein Portrait Adolf Hitlers zu dessen Geburtstag malen. Als ohnehin von den Nationalsozialisten Verfemter wird Erwin Hahs diese seelische Bürde und Qual aufgelastet. War es Wagnis oder Leichtsinn, was ihn schließlich bewog, ein wenig schmeichelhaftes, aber wohl wirkliches Bild „des Führers“ zu malen? Die NSDAP jedenfalls sah in seiner Darstellung Hitlers eine Beleidigung und ließ das Bild aus der Aula des Stendaler Winckelmann-Gymnasiums wieder abnehmen. Ein Wunder und ein Glück, dass Erwin Hahs keine schlimmen Konsequenzen drohten. Das Bild machte schließlich, so notierte er in seinem Tagebuch, „eine kleine Handwagenreise von der Schule in das Alte Dorf“, wo sich Hahs‘ Atelier befand.

Man könnte annehmen, er hätte das Bild zerstört, doch Hahs war subtiler. Er übermalte es 1944 und es entstand sein wohl bedeutendstes Werk: „Das große Requiem“. Hitler ist damit, das haben Röntgenaufnahmen 2015 bestätigt, noch immer als geisterhaft-dräuender Schemen da. Er wird überdeckt von seinem eigenen zerstörerischen Werk – vom Tod, den verkohlten Ruinen der Hauptstadt, dem Leid und der Verzweiflung der Menschen. Hahs malte in das düstere Bild, das ihn lange Zeit beschäftigte, aber auch ein leises, sehnsuchtsvolles Hoffen auf einen Neuanfang.

Seine Zeit als Kunstlehrer in Stendal währte nicht lang, er ging 1946 zurück an die Burg Giebichenstein – aus der er 1933 als „entartet“ geltender Künstler von den Nazis rausgeworfen worden war. Glaubte er nun, nach Kriegsende, zunächst an Rehabilitierung, sah er sich getäuscht: Es gab erneut gesteuerte Hetze und Diffamierungskampagnen gegen ihn, den „gefährlichen Opponenten“. Seine Kunst konnte es niemandem recht machen, Erwin Hahs geriet immer wieder ins Abseits, zog sich zurück.

Trotz seines Einflusses auf die moderne Malerei im 20. Jahrhundert ist er „inzwischen schon fast wieder in Vergessenheit geraten“, wie Kathrin Schade feststellt, die sich als Kuratorin in letzter Zeit intensiv mit Erwin Hahs beschäftigt hat. Noch bis 22. März ist die Sonderausstellung „Wege in die Moderne – zwischen den beiden Weltkriegen“ im Winckelmann-Museum zu sehen, die sich nicht nur Erwin Hahs widmet, sondern auch Hermann Klumpp und Walter Wilhelm – drei Persönlichkeiten, die laut Schade „eines vereint: ihr leidenschaftliches Wirken für die künstlerische Avantgarde seit den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg“.

Die Verbindung Hahs‘ zu Stendal und seine hier entstandenen Werke erfahren dabei intensive Würdigung und geben Einblick in das bewegte Leben eines Menschen, dem sein Inneres und sein Geist offenbar immer wieder genug Kraft gegeben haben, alle Anfeindung und Ausgrenzung auszuhalten.

Die Schau macht bei aller räumlichen Begrenztheit ausreichend umfänglich nachvollziehbar, wie facettenreich und wandelvoll die Kunst von Erwin Hahs war und wie experimentierfreudig, feinsinnig und gedankenvoll er selbst. Da begegnen einem viel Düsternis und Schwere, viel Symbolik und Implizites, aber auch Spuren leiser Lebensfreude, von Zuversicht und Trost.

Erwin Hahs, so schreibt Angela Dolgner im Ausstellungskatalog, „strebte nie nach glänzendem Ruhm, er bevorzugte das Arbeiten in der Stille, die Suche nach Vollkommenheit“.