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Milchbetrieb Wo Kühe und Kälber Elternzeit haben

Ein Schinner Milchbetrieb stellt auf muttergebundene Kälberaufzucht um. Das bedeutet mehr Aufwand - und einen höheren Preis.

Von Axel Junker 02.06.2017, 01:01

Schinne l Am Kindertag auf den Bauernhof – für die Knirpse des evangelischen Kindergartens aus Stendal wurde es Wirklichkeit. 46 glückliche Mädchen und Jungen fühlten sich am 1. Juni auf dem Gelände des Schinner Milchviehbetriebes Lenz wie im Paradies. Im Heu toben, Kutschenfahrten und dabei sogar selbst einmal die Zügel halten, Ponys striegeln und die Haustiere streicheln – all das konnten die Kinder an ihrem Ehrentag erleben.

Der Schinner Landwirtschaftsbetrieb hat über das Jahr regelmäßig Besuch von Schulen und Kitas. Diesen Donnerstag nahm Frank Lenz zum Anlass, seine herkömmliche Kälberaufzucht auf eine muttergebundene Kälberaufzucht umzustellen. Dafür konnte es kein besseres Datum als den 1. Juni geben. Das war nicht nur Kindertag, sondern für den Schinner Milchproduzenten vor allem der 60. Weltmilchtag. Die Umstellung bedeutet einen großen Kraftakt. „Die Milchkühe und Kälber haben dann Elternzeit“, erklärt Frank Lenz.

Der konventionelle Milchproduktionsbetrieb hält in Schinne 350 Kühe. Bisher werden die Kälber nach dem altbewährten System aufgezogen. Das bedeutet, Kuh und Kalb werden in kürzester Zeit nach der Geburt getrennt. „Nach unseren Recherchen sind wir der erste konventionelle Milchviehbetrieb in dieser Größenordnung, der dieses System hin zu einer muttergebundenen Kälberaufzucht umstellt“, erläutert Frank Lenz.

Die Umstellung bedeutet die Organisation einer sehr individuellen und zeitintensiven Kälberaufzucht. „Und das in einer Zeit, in der unsere Milch seit zwei Jahren auf billigstem Niveau produziert werden muss“, so Lenz. Aktuell gibt es für den Liter Milch 32 Cent. „Das reicht vorne und hinten nicht.“

Gleichzeitig steht der Wunsch nach mehr Tierwohl. „Als Milchproduzent liegt uns das Tierwohl am Herzen und entspricht unserer Wertehaltung“, so Lenz. „Das wird gar nicht in Frage gestellt.“ Die Frage des Schinner Milchproduzenten lautet nun: „Wie sehr ist unsere Elternzeitmilch, also die Milch von Kühen, die mit ihren Kälbern zusammenleben können, wert und wer fragt dieses Produkt nach?“

Man gehe jetzt erst einmal in Vorleistung, erzählte gestern Frank Lenz und fügte entschlossen hinzu: „Wir gehen in die Offensive.“ Am 60. Weltmilchtag weideten nördlich von Schinne die ersten zehn glücklichen Kühe zusammen mit ihren zum Teil am Vortag geborenen Kälbern.

Lenz fragt sich nun: „Wer benötigt jeden Tag unsere zehn Tonnen Milch?“ Potenzielle Abnehmer sind innovative Unternehmen, der Lebensmittel-Einzelhandel und natürlich die Molkereien. Der Schinner Milchproduzent ist gespannt auf Antworten.