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Moped-Treffen Jugend liebt die alte "Simson"

Die Ost-Kult-Marke "Simson" gehört noch immer zum Straßenbild. Moped-Freunde trafen sich jetzt im Dobberkauer Waldbad.

Von Rudi-Michael Wienecke 11.07.2016, 01:01

Dobberkau l Die Idee kam Lars Reimann eines Nachts. Selbst eingefleischter „Simson“-Fahrer, stand für ihn die Frage im Raum, warum nicht ein Treffen für Gleichgesinnte auf die Beine stellen? Im Förderverein für das Waldbad Dobberkau-Möllenbeck fanden sich schnell die Organisatoren und auch Sponsoren konnten gewonnen werden. So startete Reimann einen Aufruf, der viel Gehör fand.

Mehr als 80 Zweiradfahrer trafen sich am Sonnabendnachmittag im Waldbad, wurden für ihre Anreise mit kostenloser Bratwurst und Getränken belohnt. Bei einer Verlosung konnten sie Tankgutscheine gewinnen und beim Hindernisfahren ihre Geschicklichkeit auf den Maschinen unter Beweis stellen. Abends sorgte ein DJ für Musik und natürlich war auch Ost-Rock zu hören.

Für reichlich Gesprächsstoff sorgten die vielen „Simsons“ in den unterschiedlichsten Modellen vom „Duo“ bis zur „Simson-Cross“, vom „Spatz“ bis zum „Habicht“. Wohl jeden der „Simson“-Freunde verbindet eine Geschichte mit seinem Moped. So reiste Siegfried Bowe aus dem rund 50 Kilometer entfernten Uchtdorf bei Tangerhütte auf seiner braunen „Schwalbe“ an. Vor 30 Jahren konnte er das damals funkelnagelneue Moped in Empfang nehmen. „Zehn Jahre musste ich darauf warten“, so Bowe. Auch den Preis hat er noch im Kopf. 1752 Mark der DDR musste er zahlen. Heute werden ihm für diese Schwalbe mittlerweile 2000 Euro geboten.

Stephan Albrecht bekam die „S51“ für seinen Sohn dagegen geschenkt. 1200 Euro musste er allerdings investieren, um sie wieder zum Laufen zu bringen. Filius Toni bedankte sich seinerseits mit Arbeitsleistung. Tag und Nacht schraubten Vater und Sohn an einer der wohl ungewöhnlichsten Maschinen der Altmark.

Um einen „Cunewalder 1H65“ mit Schwungrädern bauten beide ein Motorrad. Mit diesen Motoren wurden früher Melkmaschinen oder Wasserpumpen auf der Weide angetrieben. Mit nur sieben PS ausgerüstet, schafft es das Vehikel allerdings noch auf 60 Kilometer pro Stunde. Eine Straßenzulassung gibt es für diesen Eigenbau allerdings nicht. Schuld daran ist nicht nur die Wachskerze an der Stelle, wo andere Zweiräder ihre Lampe haben.

In Dobberkau waren am Sonnabend alle zweiradfahrenden Altersklassen vertreten, denn die „Simson“ verbindet Kinder-, Eltern- und Großeltern-Generation. So mancher junge Kerl fährt heute mit der Maschine auf Brautschau, mit der bereits der Opa die Oma ins Grüne „entführte“. So war es nicht verwunderlich, dass besonders viele Jugendliche mit den Zweitakt-Mopeds angeknattert kamen, worüber sich Reimann sehr freute, denn das Ziel der Veranstaltung war erreicht: „Die Jugendlichen sollen sich kennenlernen, Spaß miteinander haben und sich auch mit der Region identifizieren.“ So kann die gute alte „Simson“ vielleicht einen kleinen Beitrag leisten, dass die Abwanderung aus der Altmark ein wenig gestoppt wird. Mittlerweile ist die „Simson“ für die Jugend Kult und sie gilt sogar als Wertanlage. Für einzelne Modelle werden Summen gezahlt, die den einstigen Neupreis weit übertreffen.

Trotzdem sehen die jungen Damen und Herren in den Mopeds keine Museumsstücke, sondern die Zweiräder sind wegen ihrer Alltagstauglichkeit beliebt. Die 16-jährige Lena Albrecht fährt auf ihrer „S51“ täglich zur Schule, ihre Kumpels damit zur Arbeit. „Wer ein bisschen Ahnung hat, kann alles selbst reparieren“, nennt die junge Dobberkauerin einen Vorteil. Ein weiterer: Mit 60 Kilometern pro Stunde, einige der Maschinchen schaffen sogar die 80, ist die „Simson“-Gemeinde dank einer gesetzlichen Sonderregelung wesentlich schneller zulassungsfrei unterwegs als die „rollerfahrende Konkurrenz“. Aber auch ideelle Aspekte führt die 16-Jährige ins Feld. Mit der „Simson“ bleibe ein Stück DDR-Kultur erhalten, die Jugend der Eltern werde ein wenig konserviert.

Übrigens fanden nicht nur „Simson“-Fans nach Dobberkau. Auch andere DDR-Zweiräder wie die PS-stärkeren „MZ“ oder „AWO“ standen, wie vor Jahrzehnten, aufgebockt vor dem Waldbad und die zum Trocknen am Spiegel aufgehängte Badehose erinnerte so manchen gestandenen Mann an die eigene Jugend.