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Müllentsorgung Entsorgungsnetzwerk in der Kritik

Im Stendaler Landratsamt stritten sich in einem Ausschuss zwei Juristen in Sachen Müllentsorgung über Rechtsauffassungen.

Von Bernd-Volker Brahms 23.12.2017, 02:00

Stendal l Es war die Aussage des Nachmittags: „Es sind alle Haushalte angeschlossen“, sagte die Geschäftsführerin Madlen Gose von der ALS Dienstleistungsgesellschaft in der gemeinsamen Sitzung des Kreis- und des Ordnungsausschusses des Kreistages am Donnerstag. Kreistagsmitglied Frank Wiese (Landwirte) hatte die Chefin der kreiseigenen Müllentsorgungsfirma darauf angesprochen, ob es im Landkreis Stendal private Haushalte gebe, die nicht an das öffentliche Müllentsorgungsnetz angeschlossen seien.

„Wir nehmen das zur Kenntnis und werden es prüfen“, sagte Wiese. Zumindest im Bereich der Gewerbebetriebe sei in den vergangenen Jahren „nicht alles richtig gelaufen“. „Ich kann mich da nicht ausschließen“, sagte Wiese.

In der Sache ging es im Landratsamt im Raum Osterburg um zwei Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Landrat Carsten Wulfänger (CDU). Der Tangerhütter Dietrich Schultz hatte diese im Februar und März über seinen Magdeburger Rechtsanwalt Michael Moeskes auf den Weg gebracht. Es habe „ein organisches Totalversagen“ beim Kreis und der ALS gegeben, sagte Moeskes im Ausschuss. „Es sind keine Rechenfehler von nachrangigen Angestellten gemacht worden, sondern das Ganze hat System“, sagte der Rechtsanwalt. „Bürger, die ans System angeschlossen sind, bezahlen für die mit, die nicht angeschlossen sind.“ Er könne nicht nachvollziehen, dass beim Statistischen Landesamt für den Landkreis Stendal von 63.400 Haushalten ausgegangen werde, bei der ALS aber nur knapp 56.000 Haushalte angeschlossen seien. Auch 3400 Kleingärtner seien gar nicht berücksichtigt, obwohl dies laut Satzung vorgesehen sei.

Der Beigeordnete Denis Gruber (SPD) fühlte sich von den Worten provoziert. „Das ist massiv suggestiv, das ist inhaltslose Redererei“, sagte er. Es habe Neuanschlüsse gegeben, gab Gruber zu. Bereits 2015 seien Anweisungen vom Landrat herausgegangen. Man sei aktiv geworden. Es sei aber eine grobe Unterstellung in Bezug auf den Landrat von Unterlassung zu sprechen und diesem dienstliche Vergehen nachweisen zu wollen. „Ein System dahinter zu vermuten ist feindlich“, so Gruber.

Wie die Volksstimme berichtete, waren Ende 2016 nach Angaben des Landkreises 5700 Privathaushalte und 2450 Gewerbebetriebe angeschrieben worden, weil der Status nicht geklärt war. Es gab Zwangsanschlüsse, es wurde in Einzelfällen dem widersprochen und auch Rechtsmittel dagegen eingelegt.

Im Kreistag hatte der Landrat unlängst davon gesprochen, dass es bei der ALS erhebliche Mehreinahmen gegenüber der Gebührenkalkulation gebe. Anfang 2018 müsse darüber nachgedacht werden, ob eine neue Kalkulation hermüsse. Eine Anfrage der Volksstimme, woraus die Mehreinnahmen resultieren, ließ die Kreisverwaltung unbeantwortet.

Für Verwunderung sorgte die Aussage der Berliner Rechtsanwältin Caroline von Bechtolsheim, die seit einiger Zeit den Landkreis im Bereich Müllentsorgung juristisch betreut. „Niemand nutzt das System, ohne zu bezahlen.“ Die Kalkulation der Müllgebühren sei damit in Ordnung, da diejenigen, die das System nutzen, es auch bezahlen. Nicht angeschlossene Haushalte oder Gewerbe seien damit irrelevant. Kreistagsmitglied Helga Paschke (Linke) war derart Baff, dass sie sich das Gesagte noch mal bestätigen ließ. Denis Gruber wies wenig später allerdings darauf hin: „Es besteht ein Anschlusszwang.“

Für Kreistagsmitglied Edith Braun (parteilos) seien die Ausführungen des Rechtsanwaltes Mosekes „alles nur Behauptungen“. Interessant für sie sei die Information, dass die Kalkulation nicht an den Nichtangeschlossenen hänge.

Moeskes mahnte die Kreistagsmitglieder, die Vorgänge aufzuklären. „Der Landkreis hat ein erhebliches Haftungsrisiko.“ Es solle ein unabhängiger Prüfer eingeschaltet werden, schlug er vor. Er verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft schon länger ermittele.Der Beigeordnete Sebastian Stoll (CDU) hatte zuvor schon auf den Umstand verwiesen, dass die Vorermittlungen laufen. „Anfang des Jahres soll entschieden werden, ob es einen Anfangsverdacht gibt.“