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Munterer Vortrag Nachts sind alle Vögel grau

Ernst Paul Dörfler hielt im Gertraudenhospital munteren Vortrag über die Vogelwelt und die Gänse am Stendaler Stadtsee

Von Thomas Pusch 29.08.2016, 01:01

Stendal l Jeder Spaziergänger kennt sie, jeder Jogger auch – die Gänse vom Stadtsee. Im April vor drei Jahren lernte auch Ernst Paul Dörfler die Tiere kennen, zufällig. Am Freitagabend berichtete der Naturwissenschaftler auf Einladung des Fördervereins Gertraudenhospital nicht nur über diese, sondern auch zahlreiche andere Vögel. „Ich wusste ja, dass es einen Stadtseebahnhof gab, dass es auch tatsächlich ein Gewässer dieses Namens gibt, habe ich erst 2013 festgestellt“, erzählte Dörfler im Vorgespräch mit der Volksstimme. Einmalig sei dabei gewesen, dass der Nachwuchs so zutraulich gewesen sei. „Normalerweise halten die Gössel einen Abstand von 100 Metern, aber das ist in Stendal nicht so“, schilderte er. Offensichtlich habe sich am Stadtsee eine Population angesiedelt, „die sich an den Menschen gewöhnt hat“, stellte er in seinem Vortrag fest. „Die werden ja auch gefüttert“, bemerkte ein Zuhörer. Davon hält Dörfler allerdings gar nichts, findet ein Fütterverbot vorbildlich.

Gut zehn Grauganspaare sind es am Stadtsee, etwa 80 bis 90 Gössel wurden gezählt. Nicht nur menschliche Zuwanderer wurden in Stendal registriert, auch tierische. So wurde auch ein Nilganspaar am Stadtsee gesichtet.

Dörfler hatte nicht nur Interessantes über Vögel zu erzählen, sondern auch aus seiner eigenen Biografie. So beschäftigte er sich in den 80er Jahren mit der Sauberkeit der Elbe und wurde so zum „Beobachtungsobjekt“. Acht Ordner umfasst seine Stasi-Akte, „Umweltschutz war ja damals noch nicht so in“, bemerkte er schmunzelnd. Für Bündnis 90/Die Grünen saß er 1990 in der ersten freigewählten Volkskammer und gehörte auch dem Übergangsbundestag an.

Sein Vortrag war fachlich fundiert, aber nicht wissenschaftlich trocken. Schon an den Titeln seiner Bücher wie „Die Liebe der Vögel. Vom ersten Lustgeträller bis zur Reise in den Süden“ oder „Liebeslust und Ehefrust der Vögel“ zeigen, dass es ihm auch um die humorvolle Seite der Betrachtung geht. Und so stellte er seinen Zuhörern im Gertraudenhospital die verschiedenen Eheformen der Vögel vor. Seine Liebe zu den Vögeln entstand offenbar schon in Kindertagen. Dörfler zeigte ein Bild, das ihn als Jungen mit einer Rauchschwalbe zeigt, später habe er dann Gänse hüten müssen.

„Vögel führen Ehen“, war an sich schon eine Erkenntnis, die nicht jeder der Zuhörer gehabt haben mag. Wenn sie vielleicht auch besser Bescheid wussten, als Schulkinder, die laut Dörfler zwar in der Lage seien, 300 Marken zu unterscheiden, aber höchstens zehn Vogelarten kennen würden. Um überhaupt aber zur Ehe zu kommen, müssten die Männchen auffallen. Viele beeindrucken durch ihr Federkleid. Anders die Nachtigall. „Im Dunkeln braucht man sich nicht bunt anzuziehen“, erklärte Dörfler. Das Nachtigallmännchen beeindruckt durch seine Stimme, 250 Strophen können die Besten von ihnen singen. Manche Vögel haben eine Ehe, die nur eine Saison hält, andere kommen nach dem Winterquartier wieder zusammen.

Ein ganzes Leben lang sind sich die Schwäne treu. Der Storch kehrt zwar im Frühjahr immer wieder zu seinem Nest zurück, nicht aber unbedingt zu dem selben Weibchen. „Man kann sagen, er ist mehr mit seinem Horst verheiratet“, sagte Dörfler verschmitzt. Sein Dank ging aber an die Weibchen, die sich immer die farbenprächtigsten oder stimmkräftigsten Männchen zur Paarung aussuchen. „Wenn es anders wäre, hätten wir heute nur noch graue Vögel, die nicht singen.