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Musikforum-Glocke Am liebsten hört man sie schweigen

Eine Glocke, die nicht läutet: Der Klangkörper im Stendaler Musikforum wird als Störfaktor empfunden und war lange defekt.

Von Nora Knappe 07.12.2018, 10:28

Stendal l Man sieht sie nicht, man hört sie nicht. Aber irgendwo da oben muss sie sein... Wer im Musikforum einem Konzert lauscht und vielleicht mal andächtig den Blick zur Decke wandern lässt, wird dort eine Luke bemerken. Dahinter soll sie hängen, die Glocke der Katharinenkirche, dorthindurch verschwand sie vor sechs Jahren und ward seither selten gehört.

Dieses Schicksal war ihr auch schon vor ihrer Sanierung beschieden: Bis Anfang der 50er Jahre hing sie noch im Glockenstuhl auf dem Kirchendach, wurde dann aber heruntergenommen, weil das ganze Gebälk marode war und der 69 Kilogramm schwere Klangkoloss herabzustürzen drohte. Lange Zeit lagerte sie im Altmärkischen Museum, geriet in Vergessenheit, bis sie Ende der 1990er Jahre wiederentdeckt wurde und alsdann in einer Nische im Konzertsaal des Musikforums stand.

Ulrich Förster, dem damaligen Leiter des Musikforums, war es ein Herzensanliegen, die Bronzeglocke aus dem Jahr 1759 sanieren zu lassen und wieder zum Klingen zu bringen. Also sammelte er über mehrere Jahre Spenden, bis 2012 die Summe von 7500 Euro zusammen war. Die Glocke wurde repariert, vervollständigt und mit der nötigen elektrischen Steuerung versehen. Und sollte zu ihrer Wiedereinweihung zum Neujahrsempfang 2013 läuten – blieb jedoch stumm, weil es ein Problem mit der Technik gab.

Ein solches Problem ist es nun wohl auch, das die Glocke wiederum schweigen lässt. Seit 2017. „Die Steuerung läuft automatisch“, erklärte Stadtsprecher Philipp Krüger auf Volksstimme-Anfrage, „diese Automatik war defekt und wurde vor Kurzem ausgetauscht.“ Zu Testzwecken sei die Glocke diese Woche vereinzelt um 12 Uhr und um 18 Uhr schon wieder zu hören gewesen.

Das könnte nun theoretisch auch wieder regelmäßig der Fall sein. Wenn da nicht ein Problem wär: das Läuten der Glocke. Das, so heißt es aus der Stadtverwaltung, störe nämlich bei Veranstaltungen, sei im Inneren des Gebäudes sehr laut. Bisher habe man sich damit beholfen, die Läuteautomatik bei Lesungen, Konzerten, Proben manuell auszuschalten. Auf Dauer keine praktikable Lösung und nicht gut für die Automatik.

Zu welchen Terminen die Glocke nun erklingen soll und darf, darüber werde in der Stadtverwaltung „nach wie vor intern diskutiert“. Laut städtischer Läuteordnung sollte das ursprünglich werktags um 12 Uhr und um 18 Uhr sein, außerdem zu bestimmten Anlässen mit Andacht und Gebet sowie unter anderem zum Jahreswechsel, Ostersonntag und zum Pogromgedenken am 9. November.

Ulrich Försters Traum war es damals auch, die Glocke zu Hochzeiten zu läuten. „Eine Trauung mit Glockenklang ist doch etwas ganz Besonderes“, hatte er 2010 geschwärmt. Dass das jedoch nie Wirklichkeit wurde, erlebte er nicht mehr mit, Förster starb im Dezember 2013, dem Jahr der Glockeneinweihung. Aus Sicht von Superintendent Michael Kleemann wäre das Läuten zu Hochzeiten im Musikforum auch gar nicht so wünschenswert. „Ich fände es befremdlich, wenn bei einer weltlichen Hochzeit die Glocken läuten würden.“ Wenngleich ihm nicht bekannt sei, dass es dafür eine Regelung gebe.

Abgesehen davon rede die Kirche – auch wenn manch einer anderes munkelt – säkularen Veranstaltern nicht in die Glockennutzung hinein. Zumal es sehr selten sei, dass weltliche oder wie im Fall der Katharinenkirche entweihte Gebäude überhaupt eine Glocke hätten. Beispiele außerhalb der Altmark wären das Rathaus in Berlin-Schöneberg und die KZ-Gedenkstätte Buchenwald.

„Da ist letztlich der Eigentümer verantwortlich, dass kein Schindluder getrieben wird“, sagt Kleemann. Die Läuteordnung der Kirche, die wiederum von Gemeindekirchenräten individuell angewandt wird, gelte für nichtsakrale Gebäude jedenfalls nicht.