1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. SPD steht vor einem Neuanfang

Nach der Wahl SPD steht vor einem Neuanfang

Die SPD in der Altmark muss sich personell und strukturell neu aufstellen, nachdem Marina Kermer die Wiederwahl in den Bundestag verpasste.

Von Bernd-Volker Brahms 28.09.2017, 01:01

Stendal l Auch drei Tage nach der Bundestagswahl weiß Marina Kermer am Mittwoch noch nicht so genau, wie sie ihre Gefühlslage beschreiben soll. Die 57-jährige Sozialdemokratin hatte in den vergangenen zwei Monaten einen engagierten Wahlkampf hingelegt und innerhalb von zwei Monaten 100 Orte in der Altmark besucht und den Kontakt zu den Menschen gesucht. „Es ist nicht so leicht, den Menschen zu erklären, wie Demokratie läuft“, sagt sie. Sie habe versucht, rüber zu bringen, wofür die SPD steht und welche Möglichkeiten es für eine Umsetzung der Ideen gibt.

Was sie freut, ist die Tatsache, dass sie bei der Bundestagswahl ihr persönliches Ergebnis von 2013 verbessern konnte. Mit 20 894 Stimmen bekam sie rund 2000 Wählerstimmen mehr als vor vier Jahren (18.716). Dies ist sicher auch ein Ergebnis der Tingeltour. Vom Direktmandat ist sie damit trotzdem noch weit entfernt geblieben. CDU-Mann Eckhard Gnodtke bekam ohne großen Wahlkampf 35.644 Stimmen. Platz vier auf der Landesliste – wie 2013 – reichte diesmal für Kermer nicht für den Verbleib im Bundestag, da die Partei auch im Land und im Bund historisch schlecht abschnitt.

Für Kermer ist es persönlich tragisch. Erst 2012 war sie als Quereinsteigerin von den Sozialdemokraten aus Stendal geholt worden. Bis dahin leitete sie die Arbeitsagentur. „Ich weiß momentan nicht wie es weitergeht“, sagt sie. Einen Plan B habe sie nicht gemacht. „Nicht, weil ich mir sicher über einen erneuten Einzug in den Bundestag war, sondern weil ich mich voll auf meine Arbeit konzentrieren wollte“, sagt Kermer. Als Beamtin hat sie einen Anspruch darauf, wieder in den Job einzusteigen. Wo das sein wird, ist völlig offen.

Für die Partei vor Ort wiegt die Niederlage noch ungleich schwerer. Die SPD ist in der Altmark nunmehr lediglich noch mit dem Klötzer Jürgen Barth im Landtag vertreten. Im Landkreis Stendal gibt es – erstmals seit der Wende – keinen sozialdemokratischen Mandatsträger mehr. „Es droht eine fehlende Flächenpräsenz“, sagt Tilman Tögel, der von 1990 bis 2016 als SPD-Abgeordneter im Landtag saß und auch Sprachrohr für die Region war. Schon im vergangenen Jahr nach seinem eigenen Ausscheiden aus der Berufspolitik habe er in Magdeburg bei der SPD-Fraktion darum gekämpft, dass in Stendal ein Büro erhalten bleibt. Vergebens.

Eine erste Analyse der Bundetsagswahl hat es auch schon beim Stendaler SPD-Kreisverband bei einer Sitzung am Dienstagabend gegeben, wie der Vorsitzende Oliver Fleßner auf Nachfrage berichtet. „Wir haben so kurz nach der Wahl noch keine Strategie, wir sind am Anfang der Diskussionen“, sagt Fleßner, der seinerzeit Tögel als Vorsitzender beerbt hatte. Sicherlich werde es in Zukunft schwierig werden, als SPD öffentlich in der Altmark Gehör zu finden. „Der Wahlkreis 66 und mithin die Altmark sind so groß wie das Saarland“, sagt Fleßner. Da sei es schon wichtig, dass man auch noch professionelle Strukturen und entsprechend eine Anlaufstelle hat.

„Wir brauchen ein Büro“, ist sich Fleßner sicher. Allerdings könne man ohne den Landesverband und die Landesfraktion nichts ausrichten. Dies müsse besprochen werden. Möglicherweise könne die Stendalerin Juliane Kleemann, die dem SPD-Landesvorstand angehört, dabei helfen, hofft Tögel.

Für den Stendaler Kreisparteitag am 20. Oktober hat sich jedenfalls schon der Landesvorsitzende Burghard Lischka angekündigt, der seit 2016 die Partei in Sachsen-Anhalt anführt und am Sonntag als Spitzenkandidat erneut in den Bundestag gewählt worden ist.

Wie weit es auch personelle Veränderungen gibt, ist derzeit unklar. Auf die Frage, ob er als Vorsitzender wieder antrete, sagte Fleßner: „Dazu äußere ich mich noch nicht.“ Auch Marina Kermer lässt ihr weiteres politisches Engagement weitgehend offen. Sie werde vorerst Vorsitzende des SPD-Stadtverbandes Stendal und auch Beiratsmitglied im Kreisvorstand bleiben. Ansonsten müsse sie sich jetzt auch erst einmal um ihre berufliche Zukunft kümmern. Danach könne man weiter sehen, sagte sie.

Für den Stendaler Reinhard Weis ist die derzeitige Situation „kein Fass ohne Boden“. Es sei nunmehr die Eigeninitiative und Kreativität der Ortsvereine und auch die Arbeit in den kommunalen Gremien gefragt. „Da müssen wir mit unseren Themen auch öffentlich durchdringen“, sagt der 68-Jährige, der für die SPD von 1990 bis 2002 im Bundestag saß und damit das Bindeglied der Region zur Bundespolitik gewesen ist.

Für ihn ist die Situation auch nicht ganz neu, sagt Weis. Schon 2009, als Marko Mühlstein nicht wieder in den Bundestag gewählt worden ist, da habe es vier Jahre lang auch keinen SPD-Bundestagsabgeordneten aus der Altmark gegeben. „Der direkte Draht zur Bundespolitik ist Luxus, an den man sich gewöhnen kann. Er ist aber nicht selbstverständlich“, sagt Weis. Er selbst werde zwar noch etwas weiter mitmischen, „aber nicht mehr an exponierter Stelle“. „Da müssen jetzt auch Jüngere ran“, so Weis.

Auch SPD-Veteran Tögel sieht die Hauptlast nun vor Ort. Er rechne nicht damit, dass ein SPD-Büro über Mittel der Landes-SPD kommen werden. „Vielleicht kriegen wir über die Fraktionen im Stadtrat und im Kreistag etwas organisiert“, sagt er. Allein der ganzen Unterlagen wegen müsse eine neue Anlaufstelle gefunden werden. „Wo sollen die Sachen sonst hin?“, fragt er.