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Nach Olympia Begeistert von Brasilien

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Kunert und der Stendaler Arzt Herbert Wollmann waren in Rio. Von Brasilien sind sie ganz beseelt.

Von Thomas Pusch 07.10.2016, 01:01

Stendal l Sie ist Bundestagsabgeordnete, er hat eine Arztpraxis in Stendal. Beide sind sie Stadträte, sie für die Linke, er für die SPD. Katrin Kunert und Herbert Wollmann waren in diesem Sommer in Rio. Kunert besuchte mit einer Delegation des Sportausschusses des Bundestages die Paralympics, Wollmann war privat bei den Olympischen Spielen. Im Gespräch mit der Volksstimme beleuchten sie die verschiedenen Facetten ihrer Reise nach Brasilien.

Wollmann: Es war auf jeden Fall richtig, die Spiele nach Brasilien zu geben, zumal es zum Vergabezeitpunkt ein aufstrebendes Land war.

Kunert: Das finde ich auch, sie haben es doch auch hingekriegt.

Wollmann: Und man sollte vor allem die Arroganz ablegen. In Deutschland sind wir nicht in der Lage, die Bevölkerung für Olympia zu begeistern, so scheiterten München, Hamburg und Berlin.

Wollmann: Ich kann ein bisschen Portugiesisch, deshalb kam ich mit Taxifahrern ins Gespräch. Die waren recht begeistert.

Kunert: Ich kann nur „Obrigado“ (danke), ansonsten waren wir immer mit der Delegation unterwegs, da hatten wir unseren eigenen Bus.

Wollmann: Ich habe eine Menge gesehen und es war toll, mit manchen Olympiagewinnern und ihren Familien direkt nach dem Wettkampf ins Gespräch zu kommen.

Kunert: Ich hatte auch sehr viele Begegnungen mit Sportlern und tolle Gespräche, vor allem die beiden Kleinwüchsigen Niko Kappel und Mathias Meister haben für sehr viel Unterhaltung gesorgt.

Wollmann: Es stimmt natürlich, dass viele Veranstaltungen schlecht besucht waren. Tickets gab es aber trotzdem keine mehr. Wir sind aber so auch ganz zufällig im Fernsehen zu sehen gewesen.

Kunert: Das war bei den Paralympischen Spielen anders. Ich sage ja immer, die Spiele sind das Warm-up für die Paralympics, da kann man aus Fehlern lernen. So wurden gleich die Preise gesenkt, zu manchen Wettkämpfen gab es freien Eintritt, die Stimmung war klasse und sie wurden ein bisschen als die Spiele des Volkes angesehen.

Wollmann: Ich habe am ersten Tag eine Stadtführung mit einem Deutschen gehabt. Da habe ich auch eine Favela gesehen, in der die armen Menschen leben. Auf der anderen Seite war die Fröhlichkeit an der Copacabana sehr groß.

Kunert: Die Armut ist natürlich ein Problem, aber durch die Spiele bekommt die Welt immer einen Fuß in die Tür dieser Länder, schnell wird sich die Situation nicht lösen lassen, aber die Welt ist darauf aufmerksam geworden.

Kunert: Da kann ich nicht einen einzelnen benennen. Es war eine sehr familiäre Atmosphäre, zudem waren die Sportler sehr erfolgreich. Es wird Zeit, dass sie aus dem Schatten der Sportler ohne Handicap heraustreten.

Wollmann: Auch für mich gab es nicht den einen olympischen Moment. Es war toll, wie nah man an die Siegerehrungen herangekommen ist, nicht nur den Wettkampf zu sehen, sondern auch hautnah zu erleben, wie sich die Sportler und ihre Familien freuen, das war großartig. Ich habe auch eine sehr familiäre Atmosphäre empfunden, vor allem auch im Deutschen Haus.

Kunert: Das stimmt, die Begegnungen dort sind unvergesslich.

Kunert: Ich kaufe immer Basecaps, mein Mann trägt sie sehr gerne, für meinen Sohn bringe ich immer einen Rucksack mit. Der Einzige, den er nicht wollte, ist der aus Sotschi, nicht wegen des Landes, sondern weil ihm die Farbe nicht gefallen hat. Ansonsten T-Shirts und das Maskottchen Ginger.

Wollmann: Für die Enkelkinder habe ich Medaillen aus Aluminium bei einem Strandhändler gekauft. Auch T-Shirts, ein Kühlschrankmagnet und ein Flaschenöffner waren mit im Gepäck. Ein Maskottchen musste natürlich auch mit.

Kunert: Ich finde es nicht richtig, ein ganzes Land auszuschließen, wie es bei den Russen in den Paralympics war. Es gibt russische Sportler, die im Ausland trainieren, die gar nichts mit dem staatlichen Trainingssystem zu tun haben. Man kann auch nicht sagen, dass in der DDR alle gedopt waren. Die einen haben es getan, manche auch ganz bewusst, andere eben nicht.

Wollmann: Das sehe ich auch so. Ich bin mit vielen Trainern ins Gespräch gekommen, die auch schon zu DDR-Zeiten aktiv waren und so einen guten Einblick ins System hatten.

Kunert: Wenn allerdings die Chinesin Wen Xiaoyan dreimal in einem Wettkampf den Weltrekord verbessert, dann frage ich mich schon, ob das nur durch die Begeisterung für Olympia kommt.

Kunert: Wir müssen wissen, welchen Sport wir in Deutschland wollen. Es kann bei der Diskussion um die Sportförderung nicht nur um Medaillen gehen, es muss auch in der Breite gefördert werden. Der Spaß darf nicht zu kurz kommen. Das Leistungsniveau sollte gehalten werden und das ist umso besser möglich, je größer die Basis ist, auf der der Leistungssport steht.

Wollmann: Wenn man sich mal Großbritannien anschaut, ist es doch erstaunlich, was dort für eine Entwicklung stattgefunden hat. Von einer Goldmedaille 2000 zu 27 Goldmedaillen und dem zweiten Platz im Medaillenspiegel in Rio. Die Sportler müssen auch auf die Zeit nach dem Sport vorbereitet werden. Ich weiß, dass in der DDR die Ausbildung parallel zum Sport viel besser funktioniert hat, manche haben sogar ein Medizinstudium absolviert. Da gab es immer das Klischee der Staatsamateure, aber das stimmt so nicht.

Kunert: Aber auch nur irgendetwas aus dem DDR-Sportsystem zu übernehmen, war nach dem 3. Oktober 1990 überhaupt nicht gefragt.