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Nach Unfall Fahrlehrer erklärt Regelung

Im Gespräch mit der Volksstimme erklärt Fahrlehrer Jörg Freytag aus Stendal, was die Straßenverkehrsordnung beim Abbiegen vorschreibt.

Von Thomas Pusch 10.06.2017, 01:01

Stendal l Eigentlich ist es ganz einfach. „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“. So heißt es in Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung. „Und ganz schnell wird es auch kompliziert“, mahnte Jörg Freytag. Zum Unfall, der am Freitag vergangener Woche eine 81-jährige Fußgängerin das Leben kostete, als sie von einem Paketzustellfahrzeug erfasst wurde, will er sich nicht äußern. „Wir waren alle nicht dabei, wir wissen nicht, was da noch an Hindernissen im Spiel war“, sagt er. Grundsätzlich findet er den Kreuzungsbereich von Bruch- und Breiter Straße aber kompliziert. Das Abbiegen ist in §9 der Straßenverkehrsordnung geregelt. Darin heißt es, dass auf Fußgänger besondere Rücksicht zu nehmen ist, wenn nötig, ist zu warten.

Tag für Tag entstünden an dieser Einmündung aber auch Situationen, die es den Autofahrern schwer machen. Auf dem Computerbildschirm – an Tafeln wird nichts mehr erklärt – konstruiert er, dass ein Auto von links aus der Bruchstraße kommt, ein Fahrzeug nach links in die Bruchstraße einbiegen will, ein drittes Auto kommt auf der Breiten Straße aus Richtung Marienkirche und will in Richtung Ramelow. „Wer darf zuerst fahren“, fragt Freytag. Letztlich ist eine Patt-Situation entstanden, in der ein Autofahrer auf sein Recht verzichten muss, um das Problem aufzulösen.

„Aber das wird auch sehr oft nicht richtig gemacht“, weiß Freytag, der schon zu DDR-Zeiten Fahrschüler unterrichtete. Viele hätten noch die alte Straßenverkehrsordnung im Kopf. Laut §13 konnte der Linksabbieger als erstes fahren, da er keinem Fahrzeug von rechts die Vorfahrt gewähren musste. „Es ist eben kompliziert, aber das ist auch 27 Jahre her“, sagt Fahrlehrer Freytag. Auch Fußgänger haben laut Straßenverkehrsordnung Pflichten. Sie müssen laut §25 Fahrbahnen nämlich „unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs“ überqueren.

„Es muss dann eben wieder danach gegangen werden, dass der Stärkere auf den Schwächeren Rücksicht nimmt“, rät Freytag. So bringt er es auch seinen Fahrschülern bei, die er dazu anleitet, „im Zweifelsfall anzuhalten“.

Den Kreuzungsbereich Bruch- und Breite Straße hält er nicht für die einzige schwierige Zone in Stendal. Nicht weit entfernt sieht er ein weiteres Beispiel. „Die Einmündung der Hallstraße auf die Marienkirchstraße ist auch nicht ohne“, meint er. Durch die veränderte Linienführung und die Behindertenparkplätze seien Fußgänger und Querverkehr gleichermaßen schwierig zu sehen. Letztlich müsse die ganze Stadt mit Vorsicht befahren werden. Jeder könne in eine Situation geraten, die tragisch verläuft. „Die ganze Sache funktioniert nur, wenn alle aufeinander Rücksicht nehmen“, fasst er die Vorschriften im Straßenverkehr zusammen.

Auch wenn er die Situation am Winckelmannplatz ungünstig findet, mag er nicht mit einem Verbesserungsvorschlag nach vorne preschen. Und dass ein Zebrastreifen keine Garantie dafür ist, dass es zu keinem Unfall kommt, sei auch klar. „Man könnte nur ein Geländer dort aufbauen, aber das ist in einem verkehrsberuhigten Bereich nicht vorgesehen“, verwirft er den Gedanken gleich wieder. „Rücksicht“, sagt Jörg Freytag noch einmal, „darauf kommt es in erster Linie an.“