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NSU-Diskussion Harte Kommentare und ehrliche Antworten

An der Stendaler Berufsschule diskutierten angehende Straßenbauer über die aktuelle NSU-Ausstellung

Von Anne Toss 02.02.2017, 00:01

Stendal l An den Bildern von zehn Ermordeten gehen die Schüler der Berufsbildenden Schulen zurzeit klassenweise vorbei. Die Wanderausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ konfrontiert die Jugendlichen mit der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), die zwischen 2000 und 2007 in Deutschland mindestens zehn Morde beging, Banken ausraubte – und dennoch über Jahre unerkannt blieb.

Aber was bleibt nach dem Gang durch die Ausstellung bei den Jugendlichen hängen? Besteht Gesprächsbedarf? Schulsozialarbeiterin Elisabeth Seyer und Ralf Perbandt vom Verein Miteinander haben mit 15 angehenden Straßenbauern das Gespräch gesucht und hier zum Teil „harte Kommentare, aber ehrliche Antworten“ bekommen.

„Warum gerade die zehn? Es hätten ja auch andere sein können“, fragt ein Auszubildender. „Und besteht eigentlich ein Zusammenhang zwischen den Mordopfern?“ Ralf Perbandt, der früher Opfer rechter Gewalt beraten hat, sagt, dass sich genau diese Fragen auch die Angehörigen der Opfer gestellt hätten. „Die Ermordeten haben ein ganz normales Leben geführt. Wenn man gar nicht weiß, warum dann soetwas passiert, ist das umso belastender.“ Außer dem Migrationshintergrund habe es zwischen den einzelnen Mordopfern zudem keinen Zusammenhang gegeben. „Sie sind stellvertretend für die Gruppe der Migranten ausgesucht worden – das Motiv war einfach, Angst und Schrecken unter in Deutschland lebenden Ausländern zu verbreiten“, sagt Perbandt.

In die Reflexionsstunde mischen sich aber auch kritische Stimmen ein: „Es kommt mir so vor, als ob nur die Nazis schlecht gestellt werden, als ob die Asylanten hier nix machen. Ich denke da an die Silvesternacht in Köln oder den Anschlag in Berlin. Und ich bin jetzt nicht rechts oder so“, merkt ein Schüler an. „Die Sachen stehen für mich nebeneinander“, sagt Perbandt. Nazis seien nicht für alles Übel der Welt verantwortlich, aber das mache ihre Taten nicht weniger schlimm.

Gerade weil sich die Diskussion auch um aktuelle Themen dreht, ist Schulsozialarbeiterin Elisabeth Seyer umso zufriedener: „Man merkt eben, was die Schüler bewegt und frustiert – ja, auch ärgert. Und hier haben wir die Möglichkeit, ihnen sachliche Antworten zugeben.“ Die Ausstellung sei nur der Ausgangspunkt gewesen, „wir wollen nichts unter den Teppich kehren“. Den Auszubildenden rät sie, sich nicht auf den Hass einzulassen und neugierig zu bleiben.