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Online-Marktplatz Händler auf dem Weg ins Internet

Im Stendaler Rathaus wurde über den Online-Marktplatz diskutiert.

Von Mike Kahnert 01.02.2018, 23:01

Stendal l „Von mir aus können wir morgen anfangen“, ruft André Stallbaum durch den Festsaal des Stendaler Rathauses, als es nach der Infoveranstaltung zum Online-Marktplatz „Roland“ in die Diskussionsrunde übergeht. Der Vorsitzende des Kreisbauern-

verbandes zeigt sich beeindruckt, nachdem das Projektteam unter Professor Volker Wiedemer seine Version einer Online-Plattform für regionale Händler am vergangenen Mittwochabend vorstellt hatte.

Zunächst eröffnet Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) die Veranstaltung mit den Worten: „Ich hoffe, dass uns eine super Idee gelingt.“ Vor rund 70 Teilnehmern bezeichnet Wiedemer, Professor für Volkswirtschaftslehre, das Projekt als Teil der „Dritten Mission“ der Hochschule Stendal. Neben den ersten beiden Aufträgen, Lehre und Forschung, die eine Bildungseinrichtung wie die Hochschule erfüllen muss, wurde es sich als Drittes zur Aufgabe gemacht, einen Mehrwert für die Region zu schaffen.

Bei seiner Präsentation erklärt der Dozent, dass derzeit nur die ganz Großen, wie Amazon oder Zalando, vom Online-Handel profitieren und regionale Anbieter zunehmend unter Druck geraten. Allein 2016 wurde mit dem Verkauf von Online-Artikeln bundesweit ein Umsatz von 44 Milliarden Euro erzielt, zeigt Wiedemer auf. Dabei wächst der Markt weiterhin im zweistelligen Prozentbereich. Gründe dafür sind vor allem Bequemlichkeit und die Ruhe beim Einkaufen in heimischer Kulisse. Der günstige Preis im Netz spielt dabei nicht die wichtigste Rolle. Das spiegelt auch die vom Projektteam durchgeführte Käuferumfrage wider, in der fast 100 Prozent der Befragten die Qualität des Produktes am wichtigsten ist.

Doch der Preis ist nicht nur für den Käufer wichtig. Auch die Händler fragen sich später in der Diskussionsrunde, was für ein Mehraufwand oder Kosten auf sie zukämen. Eine Provision von mindestens acht Prozent müssten Händler für einen regionalen Online-Shop an Atalanda zahlen – ein Unternehmen, das digitale Marktplätze bereits in Städten wie Dortmund und Hamburg betreibt.

Eine eigene, selbst erstellte Lösung präsentiert Paul Osterburg. Der 27-jährige Student erklärt eine Version, mit der er vor allem ein Hauptproblem lösen möchte: „Den Kunden dazu bewegen, die Plattform zu nutzen.“ Er stellt sich vor, wie man mit dem Handy durch die Stadt läuft und auf einen Blick erkennen kann, in welchem Laden in der Nähe das gewünschte Produkt gekauft werden kann. Für Händler könnte die Plattform individuell genutzt werden. Ob nur als Schaufenster, mit Online-Shop oder auch Lieferdienst? Nichts ist ein Muss. In einem sind sich Osterburg und das Projektteam aber einig: Eine lokal entwickelte Lösung sollte günstiger sein als Atalanda.

„Brauche ich das? Es läuft doch gut so, wie es ist“, stellt Dozent Michael Herzog als Frage in den Raum und antwortet selbst: „Wir befinden uns im nächsten Strukturwandel.“ Der Professor für Wirtschaftsinformatik sieht keinen Weg vorbei an der Digitalisierung. Weiter argumentiert er, wer es nach der Wende geschafft hat, sich gegen die lokale Konkurrenz durchzusetzen, muss jetzt weiterdenken, anstatt sich auszuruhen.

Annett Noffke, Storemanagerin von Ramelow am Winckelmannplatz, fragt: „Und wer stellt meine Waren ins Netz?“ Volker Wiedemer ist sich des Mehraufwandes bewusst. „Es ist eine Herausforderung“, sagt er. Er wirft aber auch ein, dass es Unterstützung vom Projektteam geben wird, denn für solch eine Plattform muss zusammengearbeitet werden. Noffke sieht aber auch Chancen. Veranstaltungen wie das „Moonlight-Shopping“ oder verkaufsoffene Sonntage könnten ihrer Ansicht nach mit solch einem Online-Auftritt zentral beworben werden.

Am Ende ist Professor Wiedemer zufrieden. „So habe ich es nicht erwartet“, sagt er. Er spürt ein Mitmachgefühl und möchte zusammen mit seinem Team die vorhandene Aufbruchstimmung nutzen. „Das Projekt wird von den Händlern getragen, die erkannt haben, dass es eine wichtige Sache ist“, sagt der Hochschuldozent.

„Der Zug fängt an zu fahren“, sagt Professor Herzog. Was das Projektteam nach der Infoveranstaltung braucht, sind zunächst die Interessensbekundungen der Händler. Dafür konnten Teilnehmer auf Zetteln ihre Kontaktdaten und Meinungen zum Projekt abgeben. Wer Interesse gezeigt hat, wird in naher Zukunft eine Einladung zu einem weiteren Treffen erhalten. Dabei können gemeinsam Detailfragen geklärt werden. Was nämlich noch offen ist, ist die Frage nach dem Start der ersten Testphase. Sicher ist jedoch, falls ein zweiter Förderantrag abgelehnt wird, soll es nach dem Ende der Förderphase am 30. Juni trotzdem weitergehen. „Mit oder ohne Fördergeld“, versichert Wiedemer.