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Osterbrauch Lass doch die Eier vom Berg kullern

Mit Rohren, Stöcken und anderem Baumaterial bauen sie im Stendaler Bürgerpark eine anspruchsvolle Hindernisstrecke für Ostereier auf.

Von Sibylle Sperling 30.03.2018, 01:00

Stendal l Seit über 20 Jahren hat eine Stendaler Familie so viel Spaß, dass aus ihrer ursprünglich kleinen Fete ein traditionelles Ostereier-Trudel-Fest geworden ist. Sämtliche Familienmitglieder, Freunde und Bekannte reisen an, kommen aus Sachsen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, in Spitzenzeiten zählen die Rabes 110 Teilnehmer. Selbst die 16- bis 20-Jährigen wollen sich das Fest nicht entgehen lassen und bringen Freunde mit – campiert wird im Auto, im Garten oder im Haus. Die Nachbarn haben sich an den Auflauf gewöhnt. Doch was ist Eiertrudeln überhaupt und stammt die Idee von den Rabes?

Die Herkunft des Eiertrudelns ist nicht eindeutig geklärt. Fest steht, dass das Eierrollen schon 1550 im Spreewald erwähnt wurde - man begann zur Freude über die länger werdenden Tage und das Erwachen der Natur „heidnische“ Frühlingsfeste zu feiern. Im Laufe der Zeit wurden die Feste an Ostern gekoppelt – so wird seit mehr als 400 Jahren am Protschenberg gegenüber der Bautzner Altstadt das Ostereierschieben durchgeführt.

Familie Rabes Beziehung zum Eier-Trudeln entstand spontan. Ein gemeinsames Osterfeuer im Garten und ein Spaziergang am Arendsee, bei dem die 47-jährige Antje Rabe Ostereiertrudelnde beobachtet hatte, brachte sie auf die Idee. Mittlerweile hat sie eine eigene „Rabe-Variante“ entwickelt, denn der Ostersport ist nicht nur in Stendal beliebt. Spaß am Wettkampf haben auch die Mecklenburger, die Havelländer und die Ostfriesen – die Umsetzung ist jedoch recht unterschiedlich.

Die Trudel-Variante der Stendaler geht so: Am Karfreitag trifft sich Antje Rabe mit einer Freundin, um an die 60 Eier zu färben und zu bemalen. Abends versammelt sie sich mit Freunden und Verwandten am eigenen Osterfeuer, ein Brauch, der aus Norddeutschland stammt und auf den Glauben an die reinigende Kraft des Feuers, die Kraft der Sonne und die Hoffnung auf den wiederkehrenden Sommer zurückgeht. Der Rabe-Sonntag steht dann ganz im Zeichen des Ostereis: vormittags gehts zur Suche in den Wald. Währenddessen tüftelt ein Freund im Stendaler Bürgerpark an einer etwa 30 Meter langen Eiertrudel-Rennstrecke und baut Hindernisse wie Röhren, Netze, Sprungschanzen und eine Eierspaltmaschine ein.

Treffen die Familien einschließlich der Rabes nachmittags ein, muss jeder, Kinder sowie Erwachsene, zwei individuell gestaltete Eier vorweisen. Das Wichtigste: auf jedem Ei findet sich der Vorname des Betreffenden wieder. Und nun gehts los: Einer nach dem anderen schubst vorsichtig sein Ei den Abhang hinunter, denn Antje Rabe sagt, da sei Fingerspitzengefühl von Nöten.

Im Idealfall kullert das Ei unbeschadet über alle Hindernisse ins Ziel, mehr als die Hälfte der Eier käme dann auch unten an. Ist die erste Runde abgeschlossen, wird gezählt. Derjenige, dessen Ei die geringste Wegstrecke zurückgelegt hat, bekommt nur einen Punkt, der Zweitletzte zwei Punkte, der Drittletzte drei … usw. Zusatzpunkte gibt es pro überwundenem Hindernis.

Die erste Runde hat derjenige mit den meisten Punkten gewonnen, dabei muss das Ei weder im Ziel noch „heile“ sein. Nach der zweiten Runde wird der Gesamt-Gewinner ermittelt. „Und der bekommt bei uns schon seit zehn Jahren den Osterhasen-Wanderpokal.“ Natürlich ist der schon weit gereist und kehrt immer nur kurz - zum nächsten Osterfest - in seine Heimat Stendal zurück. Damit die anderen Teilnehmer nicht leer ausgehen, hat die Organisatorin Osterurkunden und den Loserpokal eingeführt.

Und wer trotzdem vom sportlichen Erfolg seines Eis enttäuscht ist, kann sich mit Kuchen und Kaffee wieder in Stimmung bringen, denn die Familien bringen nicht nur ihre Eier, sondern auch selbst gebackene Kuchen zum Trudeln mit. Na dann, Frohe Ostern!